Königlicher Liebesakt

WITTLICH. In Fachkreisen eine Sensation: In Wittlich ist ein lebender Schneckenkönig aufgetaucht. Gefunden hat ihn ausgerechnet eine Dame, die den Nachnamen Schneck trägt und nun begeistert eine kleine Schneckenfarm betreibt.

Es geschah beim Pfingstspaziergang. Zwei befreundete Ehepaare ruhten auf einer Bank in den Wittlicher Weinbergen aus, als der Blick einer der Damen auf eine Schnecke gleich neben der Bank fiel. Da der Name der Dame Michaela Schneck ist und die Familie seit Jahren Schnecken aller Art sammelt, registrierte sie sofort: Dies ist ein Schneckenkönig!Was der Laie nicht weiß: Die Häuser normaler Schnecken drehen sich, von der Mitte nach außen betrachtet, im Uhrzeigersinn. Ein Schneckenkönig dreht genau entgegengesetzt, also gegen den Uhrzeigersinn. "Die nehmen wir mit", beschloss Michaela Schneck sofort. "Die kochen wir aus!", beschloss ihr Gatte Reinhold, denn so viel stand für Schnecks fest: Sie haben genug Schnecken und werden ganz sicher nicht noch eine Schneckenzucht aufbauen. Michaela gab gleich zu bedenken, es sei doch Pfingsten und man könne doch nicht ausgerechnet heute das arme Tierchen auskochen. Am Abend surfte dann Reinhold im Internet und stieß auf erstaunliche Infos: Wissenschaftliche Schätzungen zur Häufigkeit von Schneckenkönigen schwanken zwischen 1 : 10 000 und1 : 10 000 000. Zwar finden sich in Sammlervitrinen häufig Gehäuse toter Schneckenkönige, lebende Individuen sind jedoch äußerst selten. Auch telefonierten die Schnecks schnell mit einem via Internet gefundenen Schneckenmeister aus Limburg, der das Tier gerne mit nach Hause genommen hätte. Dass "König Pfingstibus", wie die Finderin ihren Fund inzwischen getauft hatte, bei ihnen im Terrarium bleiben würde, stand bis dahin jedoch schon fest.30 winzige Nachkommen

Am nächsten Tag gingen die Schnecks wieder zur Fundstelle in den Weinberg und brachten dem Schneckenkönig einen hübschen Artgenossen mit. "Damit er sich nicht so einsam fühlt." Schnecke Nummer zwei ist eine der üblichen, im Uhrzeigersinn drehenden Exemplare. Inzwischen wussten sie, dass es kaum aussagekräftige Fotos von einem "König bei der Liebe" gibt. Schnecken sind Zwitter und erst im Augenblick der Vereinigung entscheidet sich, wer von beiden den männlichen und wer den weiblichen Part übernimmt.Pardon, wir sprechen ja von Schnecken, und die rechnen bei ihrem sprichwörtlichen Schneckentempo natürlich eher in Stunden als in Augenblicken. In Fachkreisen bezweifelte man, dass eine dergestalt seitenverkehrte Begattung (eine rechts-, eine linksdrehend) überhaupt zustande kommen könne. Seit dem 8. Juni also weilt der König bei den Schnecks, seit dem 9. die bürgerliche Prinzessin, und am Morgen des 20. Juni war es soweit: Die Tierchen schmiegten sich mit ihren beiden Fußsohlen aneinander und wollten gar nicht mehr aufhören.Der Limburger Fachmann setzte sich sofort in sein Auto und reiste zum großen Foto-Shooting an. 24 Stunden hielten die Schnecken durch. Den fotografischen Beweis für den Liebesakt des Schneckenkönigs findet man inzwischen im Internet; den Beweis für die Fruchtbarkeit der beiden Gesellen im Schneck'schen Terrarium erbrachten sie in Gestalt von 30 winzigen Nachkommen. Am Mittwoch hat Michaela sie gefunden. "Sie sind leider allesamt im Uhrzeigersinn drehend", bedauert Reinhold. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend: Die Tiere bleiben, wohlversorgt mit Wasser, bestem Efeu, Kohlräbchen und Möhren (bitte längs geschnitten, denn sie bevorzugen das saftige Herzstück!) und oft bestaunt von ungläubigen Besuchern, im Terrarium ihrer Gastfamilie.

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