Köstlichkeiten hinter Gittern

WITTLICH. Kochen im Knast? Warum nicht?, dachte sich der Leiter der Jugendstrafanstalt (JSA), Otto Schmid. Immerhin sollen die jungen Männer ins wirkliche Leben zurück und dort ein möglichst gesundes und bewusstes Leben führen.

In Sascha Serwaty fand Schmid den geeigneten Fachmann für sein Koch-Vorhaben. Der kannte kaum Berührungsängste und ist in mehrfacher Hinsicht ein Idealist: Sowohl die Zutaten als auch die Zubereitung seiner kulinarischen Genüsse sind genauestens überdacht und sorgfältig ausgesucht, eingekauft, gekocht, gebacken und gebraten. Der letzte Abend der Koch-Reihe steht unter dem Motto "Exotisches und Asiatisches". Serwaty hat die Lebensmittel frisch bei einem ortsansässigen Händler besorgt: "Später sollen die Jungs schließlich das, was sie hier lernen, zu Hause anwenden können." Astrid Weber, JSA-Mitarbeiterin, hat schönes Geschirr und Besteck besorgt.Das Auge isst mit - auch in der Strafanstalt

Schmid erklärt: "Auch eine passende Tischdekoration gehört zu einem guten Essen." Das Auge isst schließlich mit. Einen Teil des Koch-Honorars zahlen die zehn Gefangenen aus eigener Tasche und sind mit entsprechendem Einsatz bei der Sache. Gearbeitet wird im Aufenthaltsraum der Wohngruppe sieben. Rechts und links entlang des breiten Flures, der zu preußischen Zeiten ein einziger, über alle Etagen offener Lichthof war, sind die Türen der Hafträume abgeschlossen. Am Kurs nehmen nur ausgewählte Gefangene - auch aus anderen Wohngruppen - teil: vertrauenswürdige, nicht gewalttätige, weltoffene Menschen, denen bedenkenlos ein scharfes Messer in die Hand gegeben werden kann. An der geschmackvoll dekorierten Tafel verpassen Klaus und Karl den Gedecken den letzten Schliff. Kumquats und Limetten, kunstvoll gefaltete Servietten, orangefarbene Beeren, Kerzen und asiatisch anmutende Blumen schmücken die Tafel. Mangosaft in prächtigen Glasschalen runden das Ambiente ab, das die Gefangenschaft erst mal vergessen macht. Für Hans war diese Tatsache ein wesentlicher Ansporn, den Kurs zu besuchen: "Für ein paar Stunden möchte ich die Knast-Atmosphäre gegen die eines Restaurants tauschen." Das "Restaurant", in dem er sitzt, hat ein ausgefeiltes Angebot. Auf dem Menüplan stehen: Bananen-Rettich-Salat, Schmortomatensuppe mit Schmandhäubchen, asiatische Gemüsepfanne mit Hähnchenbrust und zum Dessert Kokoscreme mit Ananas. Da läuft jedem - egal ob frei oder hinter Gittern - das Wasser im Mund zusammen. Nach einer halbstündigen Besprechung weiß jeder, was er zu tun hat. Wer welchen Gang zubereitet, wer sich um die Deko kümmert, wer den Nachschlag verteilt, stilistisch perfekt im Übrigen: Heiner hält den Topf, während Martin die Kelle bedient, von links und mit untergehaltenem Schälchen, damit bloß nicht gekleckert wird.(Namen von der Redaktion geändert.) Ist der Gang aufgetragen, berichten die Köche, wie sie an die Zubereitung herangegangen sind. Dann heißt es "ran an die Gabeln, Löffel und Messer", nebenher wird geplaudert, wie es sich nur bei einem guten Essen plaudern lässt. "Bevor ich herein kam, wollte ich eine Ausbildung in der Gastronomie machen", verrät Michael. Und sein Kumpel berichtet, dass er auf jeden Fall nach der Freilassung ein Praktikum als Bäcker oder Koch machen möchte. Der Kurs hat alle bereichert. Dass sie später dem weiblichen Geschlecht Ausrufe des Entzückens mit ihrem Koch-Künsten entlocken werden, ist den Gefangenen klar. Und sie werden es tun, denn fest steht: Es gibt ein Leben nach dem Knast.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort