Kräftiger Landregen ist Gold wert

BERNKASTEL-WITTLICH. Ein Sommer wie aus dem Bilderbuch. Sonne pur und wochenlang Temperaturen um die 30 Grad - für die Wärme liebenden Weinreben sind das ideale Bedingungen. Schon werden Vergleiche mit legendären Jahrgängen wie 1976 und 1953 gezogen.

 Der Wittlicher Winzer Heinz Zender zeigt eine Frühburgundertraube, die sich bereits verfärbt. In normalem Jahren wird dieses Stadium erst Mitte August erreicht.Foto: Winfried Simon

Der Wittlicher Winzer Heinz Zender zeigt eine Frühburgundertraube, die sich bereits verfärbt. In normalem Jahren wird dieses Stadium erst Mitte August erreicht.Foto: Winfried Simon

Franz-Josef Treis aus Cochem ist seit 25 Jahren Weinbauberater an der Mosel. "Einen Sommer wie in diesem Jahr habe ich noch nicht erlebt", sagt der Fachmann, der die Winzer in Sachen Pflanzenschutz und Produktionstechnik berät. Drei Wochen Vegetationsvorsprung haben Ende Juli die Reben gegenüber dem langjährigen Schnitt. Je nach Witterung ist spätestens Mitte August mit dem Beginn der Reifephase zu rechnen. Das heißt, die Beeren beginnen Zucker einzulagern und werden weich. Fragt man ältere Winzer, fallen immer wieder die legendären Jahrgänge 1947, 1953, 1959 und 1976. Damals war es ähnlich heiß, die Weine waren außerordentlich edel und alkoholreich. Aber noch sind es eineinhalb bis zwei Monate bis zur Weinlese. Obwohl die Weinrebe Trockenheit relativ gut vertragen kann, wäre ein kräftiger Regen jetzt Gold wert. Henning Mader von der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Trier am Freitag: "Wir haben derzeit ein Niederschlagsdefizit von etwa 100 Liter. Was wir jetzt bräuchten, wäre ein kräftiger Landregen mit mindestens 30 Liter." Regen gab‘s schon in den vergangenen Tagen (vom aktuellen Wochenende liegen noch keine Mengenangaben vor), doch die Mengen waren örtlich sehr unterschiedlich verteilt. So bekam beispielsweise Anfang vergangener Woche bei den Gewitterschauern Trier 20 Liter Regen ab, Trittenheim 30 Liter, die Obermosel und die Saar hingegen gingen fast leer aus. Auch an der Mittelmosel um Traben-Trarbach regnete es zu wenig. Ein Gewitterregen kann allerdings auch große Schäden anrichten. Nicht nur Hagel kann die Ernte innerhalb weniger Minuten zerstören. Wenn in 10 bis 20 Minuten Unmengen Wasser mit Gewalt auf die Erde niederprasseln, kann wertvoller Boden abgeschwemmt werden. 1976 war es noch trockener, viele Rebanlagen überstanden den Trockenstress damals dennoch ganz gut. Problematisch wird es heuer auf steinigen Standorten und in Rebanlagen mit einem hohem Fruchtansatz, sprich hohen Ertragserwartungen. Das Wachstum der Beeren wird bei Wassermangel gestoppt, weil die Blätter nicht mehr "atmen" (assimilieren) können. Deutlich sichtbar wird der Trockenstress dann, wenn sich die Rebblätter gelb verfärben. Alte Weinberge sind bei Trockenheit im Vorteil

Im Vorteil sind hingegen alte Rebanlagen, weil die Wurzeln in tiefere Erdschichten eindringen sowie Reben auf humushaltigen Böden, weil diese das Wasser besser speichern können. Folgt in den kommenden Wochen ein relativ "normaler" Witterungsverlauf ist nach Meinung aller Experten mit einem "phantastischen Jahrgang" zu rechnen. Sicher ist jetzt schon, dass die Weinlese außerordentlich früh beginnen wird. Ein Problem könnte noch auf die Winzer zukommen, wenn es auch während der Lese sehr warm sein sollte. Die Beeren könnten schon auf dem Traubenwagen beginnen zu gären - ein Albtraum für jeden Kellerwirt, der bestrebt ist, möglichst gesundes Lesegut einzufahren. Doch auch in diesem Jahr gilt die Winzerweisheit: "Der neue Jahrgang kann erst beurteilt werden, wenn er im Keller ist."

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