Kriegsgefahr überschattet Karneval

BERNKASTEL-WITTLICH. Je näher die tollen Tage rücken, desto wahrscheinlicher wird ein Krieg im Irak. In diesem Jahr sind die Narren im Kreis Bernkastel-Wittlich entschlossen, Kappensitzungen und Umzüge zu veranstalten, auch wenn am Golf gekämpft werden sollte.

Die Mobilmachung am Golf läuft auf Hochtouren. USA und Großbritannien verlagern Soldaten, Panzer und Computer, und der Irak motiviert Armee und Bevölkerung. Gleichzeitig machen hier die Narren mobil für die fünfte Jahreszeit. Tanzmädchen sind seit Monaten im Training, die karnevalistischen Nähstuben schaffen fantastische Kostüme, die Kritiker basteln an ihren Büttenreden und die Wagenbauer an ihren Motiven. Firmen haben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und fertigen Orden, Kostüme, Dekorationen.Die Gefahr eines erneuten Golfkrieges weckt Erinnerungen an die Ereignisse vor zwölf Jahren. Doch dieses Mal sind die Narren vorbereitet. Bereits in vielen Vereinen wurde darüber gesprochen und die Meinung ist einheitlich. "Während damals, im Februar 1991, noch Zweifel in den eigenen Reihen laut wurden, haben in folgenden Versammlungen die Vereinsdelegierten übereinstimmend dafür plädiert eine Absage von Sitzungen und Umzügen nicht zu wiederholen", erklärt man im Präsidium des Regionalverbandes Karnevalistischer Kooperationen Rhein-Hunsrück-Lahn e.V. (RKK), einem Verband, dem mehr als 1000 Karnevalsclubs angeschlossen sind, in einer Stellungnahme zum möglichen Ausfall des Karnevals wegen Krieg.Der Trierer Hans Peters, Präsident des Landesverbandes im Bund Deutscher Karneval, sieht die Stimmung heute anders: "Ein Einmarsch der Amerikaner wäre allein kein Grund, alles abzublasen." Aus den Erfahrungen von 1991 haben die Narren gelernt. Die Enttäuschung, seinen Vortrag in den Papierkorb zu werfen oder nach monatelangem Üben nicht auftreten zu können, ist vielen noch in Erinnerung.Auch ein wirtschaftlicher Schaden entstand, Vereinen als auch Firmen. Hans-Jörg Schneider von der Firma Zinnhannes in Krummenau im Hunsrück stellt Orden her. "Als der Karneval damals ausgefallen ist, sind Firmen in die Pleite gegangen, andere hatten existentielle Schwierigkeiten. Der Karneval ist inzwischen ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig. Daher sollte man so was nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Meiner Meinung nach wäre ein Ausfall der Fastnacht wirtschaftspolitisch eine dumme Entscheidung."So sieht es auch Vereinsvorsitzender Markus Botzet, Piesport, aus der Sicht der Vereine. "Wir haben immense Vorlaufkosten, Absprachen mit Sponsoren, Plakate und Orden sind bereits gefertigt, Kostüme und Dekorationen beschafft." Fast 90 Akteure hätten für den Auftritt geübt, darunter Botzet selbst. Der einstudierte Paartanz kam nie auf die Bühne. Sein Sitzungspräsident Andreas Zachara ergänzt: "Die Leute warten auf den Karneval. Solidarität ist wichtig, aber sie darf nicht dazu führen, dass uns die Freude verboten wird." Die beiden erinnern sich auch daran, dass während des Golfkrieges die Narrenfreude in Deutschland verstummte, auf den nahen Flugplätzen Bitburg und Spangdahlem hätten die Amerikaner gefeiert.Der Ärger sitzt bei vielen Karnevalisten tief. Schließlich hat ihr Nein nicht dazu geführt, die Welt friedvoller zu gestalten. Im Gegenteil. Enttäuschungen und Verletzungen führten zu Vereinsaustritten, und die Akteure fühlten sich um ihren Lohn gebracht."In solchen Situationen sind Karnevalisten besonders gefragt", ist Dilldappen-Präsident Kurt Weyand-Besteher aus Morbach überzeugt. Gerade dann sei es wichtig, dass die Menschen für ein paar Stunden "den ganzen Mist vergessen". Die Morbacher hätten damals als einzige weit und breit ihre Sitzung veranstaltet, wenn auch "mit leiseren Tönen als sonst", und hätten dafür viel Zuspruch bekommen. "Der Karneval darf auf keinen Fall ausfallen. Freude und Leid gehören nun mal zu unserem Leben", meint auch Irmgard Endries aus Plein, sie gehört keinem Verein an, aber ist eine eifrige Besucherin des Kölner Karnevals."Den Narren das Wort nicht verbieten"

Schon 1991 hat sich Günter Oberle, Traben-Trarbach, gegen den Ausfall der Fastnacht gewehrt.Er protestierte damals und heute gegen die "Art und Weise des Vorgehens, Bürger im Zusammenhang mit dem entwürdigenden, völker- und menschenrechtsverletzenden Golfkriege und der Durchführung und Pflege des traditionellen Brauchtums Karneval zu emotionalisieren, zu manipulieren, zu zensieren". Vor allem als "Till" vom Karnevalsverein Traben-Trarbach wehrt er sich gegen den Versuch, durch einen möglichen Ausfall der Fastnacht "das freie kritische Wort" des Narren einzuschränken und zu verbieten.Den Karnevalisten ist klar, es ist eine Frage der eigenen Betroffenheit. Wie wird es sein, wenn sich deutsche Soldaten im Krieg befinden?

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