Kritische Solidarität

Erst war es ungläubiges Erstaunen, dann große Freude, mit der mich die Nachricht vom Gespräch Papst Benedikts mit seinem früheren Weggefährten Hans Küng erfüllte. Während des Konzils waren beide einflussreiche Berater.

In Tübingen haben sie gemeinsam Theologie gelehrt, bevor sich ihre Wege trennten. Wegen seiner Kritik am Unfehlbarkeitsdogma wurde Hans Küng 1979 die Lehrerlaubnis entzogen. Bis heute ist er ein erfolgreicher theologischer Schriftsteller, dem es gelingt, schwierige Sachverhalte gut verständlich zu vermitteln. In seinem gerade erschienenen Buch "Der Anfang aller Dinge. Naturwissenschaft und Religion" bemüht er sich um einen Dialog zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie. Sein Projekt "Weltethos" (Kein Weltfriede ohne Religionsfriede) fördert den Dialog zwischen den Religionen. Bei aller Kritik ist er der Kirche treu geblieben und hat sein Priesteramt nie aufgegeben. Der offene Dialog zwischen dem Papst und diesem Querdenker stimmt hoffnungsvoll. Neben der offiziellen Spur zu gehen, seine Überzeugung mutig zu vertreten und trotzdem der Kirche treu verbunden zu bleiben, zeichnete auch den französische Jesuiten, Naturforscher, Theologen und Mystiker Teilhard de Chardin, der vor 50 Jahren starb, aus. Als anerkannter Naturwissenschaftler suchte er eine Versöhnung zwischen dem alten Schöpfungsglauben und den naturwissenschaftlichen Sichtweisen. Er bekam als Theologe Lehrverbot, und seine wichtigsten Werke durften erst nach seinem Tod veröffentlicht werden. Die Anerkennung und große Wirkung seiner Thesen erlebte er nicht mehr. Einen Trierer Priester und Religionslehrer zeichnen ähnliche Merkmale aus. Seinem Charisma, seinem Engagement und seiner überzeugenden Lebensweise ist es mit zu verdanken, dass viele junge Menschen sich mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt haben und sich in der Kirche engagieren. Die Kirche weitergebracht haben oft Menschen, die den Mut hatten, sich gegen das Beharrungsvermögen zu wehren, neue Wege zu suchen und ihr dennoch treu blieben. Diese Haltung bezeichnete die Synode der Bistümer Deutschlands mit "kritischer Solidarität". Wolfram Viertelhaus, Wittlich

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