Kritischer Geist nimmt Abschied

Der Tourismus nimmt in Bernkastel-Kues eine herausragende Stellung ein. Die Arbeit im Mosel-Gäste-Zentrum wird oft kritisch beäugt. Sylvia Westermann hat dies und manch anderes erlebt.

Bernkastel-Kues. "Ich habe viel Herzblut investiert, und habe auch manchmal selbst geblutet." Was Sylvia Westermann, Leiterin des Mosel-Gäste-Zentrums in Bernkastel-Kues, wenige Tage vor ihrem Abschied sagt, passt in das Anforderungsprofil dieser Stellung. Das ist kein Job, bei dem man um 9 Uhr kommt und um 17 Uhr geht. Und das ist eine Aufgabe, bei der von mancher Seite mehr erwartet wird, als überhaupt möglich ist.Sylvia Westermann spricht mehrfach von Reibung. Die erzeugt bekanntlich Wärme. Will heißen: Konträre Auffassungen können, falls die Partner mitspielen, zu positiven Ergebnissen führen. In Zeiten des Internets sei es nicht mehr Aufgabe einer Tourist-Information, Zimmer zu verkaufen. "Aufgabe ist, die Stadt an sich zu vermarkten - und nicht einzelne Betriebe", sagt sie. Das sieht Stefan Krebs, Vorsitzender des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbandes, genau so. "Die Tourist-Info ist nicht dazu da, uns die Zimmer voll zu machen", sagt er. Im gleichen Atemzug verhehlt er aber nicht, dass bei nicht wenigen Kolleginnen und Kollegen diese Meinung noch vorherrscht. Deshalb habe es heiße Auseinandersetzungen mit Sylvia Westermann gegeben, die von Anfang an kritisch aufgetreten sei, was nicht jedem gepasst habe. Von daher habe sie anfangs einen schweren Stand gehabt, sich aber gut geschlagen.Bernkastel-Kues ist mit aktuell mehr als 700 000 Übernachtungen im Jahr in einer herausgehobenen Position. Da gebe es gewachsene Strukturen, die es zu bewahren gelte. Westermann spricht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Stadt von Balance. "Wie weit darf man sich prostituieren? Hebe ich jeden Euro auf, der auf der Straße liegt?", fragt sie.Ihr Streben ist ein nachhaltiger Tourismus. "Alle muss sich die Waage halten. Das ist aber sehr schwer", sagt sie. Sylvia Westermann geht, eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger wird kommen. Da bleibt die spannende Frage, wo die scheidende Fachfrau die Stärken und Schwächen der Stadt sieht. "Eine Stärke ist die Pflege von innen. Es sind wachsame und innovativ denkende Bürger da", sagt sie. Ein dickes Pfund sei natürlich das "herrliche Ensemble der Altstadt". "Das wird immer Gäste anziehen", sagt sie. Auch das Angebot in Einzelhandel und Gastronomie stimme.Zu wenige Hotelbetten und eine ungenutzte Burg

Und wo liegen die Schwächen. "Die kommunalen Strukturen verlangsamen viele Dinge", kritisiert sie. Manche Ansinnen müssten mehrere Ausschüsse durchlaufen. "Da vergeht oft viel kostbare Zeit", sagt sie. Märkte dagegen veränderten sich oft schnell. Ein weiteres Manko: zu wenige Hotelbetten sowie ein Sanierungsstau in manchen bestehenden Betrieben. In welche Richtung soll sich die Stadt entwickeln? In der Burg Landshut stecke viel ungenutztes Potenzial. Und auf ein verstärktes Zusammenspiel von Bernkastel (Altstadt), Kues (Geist) und dem Kueser Plateau (Wellness) setzt sie ebenfalls Hoffnungen. "Ich bedanke mich für eine tolle Zeit", erweist sie den Menschen, mit denen sie zu tun hatte, ihre Reverenz. "Ich werde die weitere Entwicklung wachen Auges verfolgen."

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