Lachen ist erlaubt

WITTLICH. Die Veranstalter vom Musikkreis Wittlich waren nervös. Verständlich. Neue Musik verkauft sich nicht von allein. Aber unbegründet, denn die Stühle im Atrium wurden fast vollständig besetzt. Die Schlagzeuggruppe "Antares" und 250 Besucher trafen sich zu einem einzigartigen Konzert.

Wer hinschaut, der staunt. Die Bühne im Wittlicher Atrium steht voll von den unterschiedlichsten Instrumenten. Klassische sind dabei, Trommeln, Becken, Gong, und ganz unkonventionelle auch: drei Tische, Blechdosen, Klappern, eine emaillierte Schüssel. Dreihundert Geräte, dreihundert unterschiedliche Klänge. Die Moderatorin Ute Schalz traf den Punkt: Während andere Musiker kommen, spielen und gehen, müssen die Zehn von Antares erst einmal zwei Stunden auf- und nach dem Konzert zwei Stunden abbauen. Dann treten sie auf, musizieren und schauspielern manchmal dazu, und einige im Publikum lachen verschämt. Es ist tatsächlich zum Lachen: Stefan Rapp, der Leiter von "Antares" liefert auf einem Stuhl eine Pantomimenszene, Verrenkungen zu quäkenden, ziependen Geräuschen. Komisch - ja gewiss. Aber kein Klamauk, sondern etwas wirklich Menschliches, Lebensnahes. Auch das zweite Stück von Størn Sonderrøp, "Banana Banshee", ein Ausdruckstanz mit zwei Schlagzeugern, hatte diese Komik. Und weil die beiden Schlagzeuger und der Darsteller perfekt zusammen agieren, springt die auch unklischiert und unvermittelt herüber ins Publikum. Spaß und Tiefsinn. Hinter jedem Werk, das "Antares" spielte, steckt eine Philosophie. Die "Imaginary Landscape" von John Cage gibt dem Spieler viele Freiheiten; Musik werden die akustischen Ereignisse erst im Kopf des Zuhörers. Oder Luigi Nonos faszinierendes "Con Luigi Dallapiccola". Da musizieren sechs Schlagzeuger und ein Regisseur für Live-Elektronik eine Komposition von faszinierender Dichte, oft ganz still, ganz konzentriert. In seinem Spätwerk hat sich der Schwiegersohn von Arnold Schönberg immer weiter in sich selbst, ins Schneckenhaus seiner Tonsprache zurückgezogen. Steve Reichs "Drumming" bezieht seinen Reiz aus der Addition von Rhythmuspartikeln. Die verbinden sich zu einem gemeinsamen Bild wie ein Kornfeld im Wind. Zwei Stücke von Iannis Xenakis: Klänge, Geräusche und Rhythmen, mathematisch berechnet und doch mit einer Energie, die beim Hören direkt im Bauch landet. Im Mittelpunkt stand "Tsi-Shin-Kut" ("Erdgeist-Ritual") von Younghi Pagh-Paan. Wer kennt schon die magischen Hintergründe, die die Komponistin aus ihrer koreanischen Heimat mitgebracht hat und im Konzert kurz erklärte! Aber auch ohne tieferes Wissen fasziniert die Vielfalt dieser Musik mit ihren fein ausgedachten Klangmischungen - akustische Reize ohne Ermüdungsgefahr. Und immer wieder erstaunt das enorme Können der "Antares"-Musiker. Welche Genauigkeit verlangt Steve Reichs "Drumming" und welch immense Kraft müssen die Schlagzeuger für die Ur-Energien bei Xenakis aufbieten! Diese Musik drängt heraus aus dem engen Zirkel schöngeistiger Klangästhetik. Sie distanziert sich vom Gedudel der Kaufhäuser. Und sie meidet den gelenkten Massenrausch mancher Rock-Konzerte. Sie richtet sich an den mündigen Menschen - und an die ganze Persönlichkeit. "Jeder Mensch hat schöpferische Kraft", sagte Younghi Pagh-Paan. 250 Besucher hörten drei Stunden lang fasziniert zu.

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