Langsamer Zerfall von alten Steinen

WITTLICH. Wird die römische Villa nun zugeschüttet oder für 500 000 Euro der Nachwelt erhalten? Der Kulturausschuss empfiehlt eine Teilzuschüttung.

Abgesperrt ist die römische Villa bereits: Zu baufällig sind die Überreste des Gebäudes inzwischen geworden, als dass man Besucher dieser Gefahr weiterhin aussetzen könnte. Eindrucksvoll dokumentierten die von Thomas Spindler von der städtischen Bauverwaltung auf die Leinwand projezierten Fotos den Verfall. Das kleine feuchte Mitbringsel in seiner Hand sprach Bände: Spindler zerbrach den Sandstein aus der Villa mit minimalem Druck zwischen den Fingern. An manchen Stellen betrage die Dicke des tragfähigen Mauerwerkes nur noch 20 Zentimeter, hatte er ausgemessen. Unbestritten zu wenig für die 1983 von Lubens Simon geplante schwere Dachkonstruktion, die, wie sich nun herausgestellt hat, ihren Beitrag zum zerstörerischen Mikroklima im Bereich der Villa leistet. Den Rest erledigen die wasserundurchlässige Tonschicht, auf der die Villa steht, die Moselhöhen und die Autobahnbrücke, die zu keiner Stunde des Tages Sonnenschein an die Mauern her-anlassen. Dennoch sei der Abriss des Daches keineswegs beschlossene Sache, stellte Bürgermeister Ralf Bußmer klar. Im Gegenteil: Er bleibe nur die letzte Möglichkeit. Mit nur einer Gegenstimme von Katrin Bornmüller, die auf die Initiative des Fördervereins setzt, schloss sich die Mehrheit des Kulturausschusses dieser Meinung an. Denn die Sorgfaltspflicht gegenüber den Bürgern und nicht gegenüber bröckelndem Gemäuer rangiert für die Stadt an oberster Stelle. Bußmer: "Die Gefahrenabwehr steht über dem Denkmalschutz." Die Kosten für die Teilzuschüttung werden auf etwa 30 000 Euro geschätzt. Hans Gaß fragte nach den Steinen, die 1972 beim Autobahnbau auf dem Gelände der ehemaligen Altenbegegnungsstätte sichergestellt worden waren. "Davon ist nichts mehr da", meinte Edwin Mehrfeld. Gaß plädierte zunächst für eine Komplettverfüllung der Ruine. Es habe wenig Sinn, neuzeitliches Mauerwerk zu erhalten, um ein historisches Gebäude zu dokumentieren. Denn was nach einer Teilverfüllung fürs Auge übrig bleibe, sei lediglich der obere Teil der 1983 auf die römischen Reste aufgemauerten Wände. Was derzeit an der Oberfläche liegt, ist jedoch ohnehin nur etwa ein Drittel des Baus aus dem zweiten Jahrhundert. Das zweite Drittel liegt immer noch sicher unter der Erde: Zukünftige Archäologen können es bei günstiger Kassenlage jederzeit ausbuddeln. Der Bau der Autobahn in den 70er Jahren hat das dritte Drittel unwiederbringlich zerstört, obwohl der Bund damals das restaurierte Teilstück nutzen wollte, woran Albert Klein erinnerte: Als Attraktion für Reisende, die auf einem Parkplatz im Mundwald hätten rasten können. "Damit hätte man die erwünschten Besucherströme gehabt." Dieser Parkplatz wurde allerdings nie realisiert und wird es auch in Zukunft nicht mehr. Bußmer: "Der Bund hat schriftlich ausdrücklich darauf verzichtet." Hätten die Nationalsozialisten die Autobahn fertiggestellt, wäre die römische Villa übrigens erhalten geblieben: 1941 wollten sie wegen Wittlichs großer Historie den Verlauf der Trasse ändern. Immerhin handelt es sich um eine der größten römischen Villenanlagen nördlich der Alpen. Die auf 500 000 Euro geschätzte Alternative einer aus archäologischer Sicht wünschenswerten Komplettsanierung der Anlage ist aus finanziellen Gründen nicht realisierbar. Zuschüsse seien bei der derzeitigen Situation sämtlicher öffentlicher Kassen einfach nicht zu kriegen, so Bußmer. Der Förderverein möchte sich heute um 19.30 Uhr im Gewölbekeller der Buchhandlung Rieping gründen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort