Leben im Zwiespalt und mit Widersprüchen

"Ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse." Mit diesem Satz spricht der Apostel Paulus im Brief an die Römer eine Erfahrung aus, die wir alle nur zu gut kennen.

Wir haben kein "reines Herz", wie es die Bergpredigt nennt, sondern stecken voller Ungereimtheiten und Widersprüche. Wie können wir damit leben? Es gibt viele Methoden: nicht wahrnehmen, nicht wahrhaben wollen, verdrängen, vergessen. Die berühmten drei Affen lassen grüßen: nicht sehen, nicht hören, nicht darüber sprechen. Lassen sich unsere Widersprüche auch bewälti-gen? Keine einfache Sache. Nicht nur unser eigenes Inneres, auch die Umgebung bringt uns dazu, hart zu sein, wo wir lieben möchten, kleinlich zu sein, wo wir großzügig sein möchten, abweisend zu sein, obwohl wir Gemeinschaft suchen. Viele Menschen leiden darunter, dass sie diese Widersprüchlichkeit sogar in Gott sehen; in einem Gott, der allmächtig sein soll und Katastrophen nicht verhindert, der liebevoll sein soll und zulässt, dass Unschuldige leiden. Was bleibt uns übrig? Aufgeben? Eine immer wiederkehrende Versuchung. Trotzdem hoffen? Welchen Grund könnten wir dafür haben? Mich fasziniert immer wieder ein - zugegeben schwieriger - Gedanke von Nikolaus von Kues: Wenn der Gott, an den wir glauben, wirklich Gott ist, dann ist er unendlich, dann sind alle Widersprüche in unserem Inneren und in unserem begrenzten Verstand bei ihm keine Gegensät-ze, sondern in einer für uns unvorstellbaren Einheit aufgehoben. Wir dürfen vertrauen, dass dies in der Tiefe der Welt und unserer Seele jetzt schon so ist, wenn auch noch häufig verborgen, von Zweifeln und Unsicherheit umnebelt. Kann diese Hoffnung uns jetzt schon helfen, uns mit unseren eigenen Widersprüchen zu versöhnen und so glücklicher zu leben?Dr. Karl-Heinz Musseleck

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort