"Leichtes Möselchen" ist out

ZELL. (fp) Um knapp 24 Prozent ging die Rebfläche an der Mosel in den vergangenen zehn Jahren zurück. Ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar. Der Zeller Weinbautag wollte da gegensteuern, auch wenn die Analyse ungeschminkt, manche Wahrheit unbequem war.

Die Steillagen sind nur zu erhalten, wenn "auf diesen einzigartigen Standorten auch einzigartige Weine" produziert werden, meinte als Referent des Zeller Weinbautages Dr. Edgar Müller von der SLVA Bad Kreuznach, bis vor zehn Jahren an der Mosel tätig. Das Qualitätspotenzial dieser Standorte auch voll zu erschließen sei von existenzieller Bedeutung für die Zukunft des Anbaugebietes. Und nicht etwa das Jammern über die schwierigen Bewirtschaftsbedingungen in der Steillage. An das Mitleid der Konsumenten zu appellieren, sei der falsche Weg. "Nur herauszustellen, dass ein Wein in der Steillage mit mehr Mühe und Kosten produziert wurde, verhilft ihm nicht zu einem besseren Preis. Da können Sie sich auch gleich mit einem Hut ins Zeller Stadtzentrum stellen und vorbeilaufende Touristen um eine Spende für Not leidende Winzer bitten", schoss Müller scharf gegen die weit verbreitete Larmoyanz im Weinbau. Nicht "weil" ein Wein aus der Steillage stammt, soll der Kunde zum Kauf bewegt werden. Vielmehr müsse sich bei ihm die Erkenntnis durchsetzen, dass der Begriff Steillagenwein für einen besonders hochwertigen Wein steht. "Mit Vermarktungskonzepten allein ist das nicht zu schaffen, das muss Hand in Hand mit Konzepten zur Qualitätsoptimierung und Anpassung des Weingeschmacks an die Vorstellungen des Konsumenten einhergehen", unterstrich Müller. Mit Blick auf seine heutige berufliche Heimat, die Nahe, stellte er fest, dass die überdurchschnittlich erfolgreichen Betriebe dort fast ausnahmslos einen überdurchschnittlich hohen Anteil an harmonisch trockenen, nachhaltigen und dichten Weinen aufweisen. "Alles andere also als ein leichtes liebliches Möselchen, wie es in der Vergangenheit beworben wurde", so Müller. Das Image des Moselweins sei trotz aller herausragender Bewertungen in der Fachwelt für breite Verbraucherschichten noch immer von Vorstellungen geprägt wie "klein, dünn, süßsauer und Sodbrennen". Und viele Weine mit 45 Gramm Restzucker, 8 Volumenprozent Alkohol, 9 Promille Säure und 15 000 Liter/Hektar Ertrag entsprächen diesem Klischee durchaus. "Wären sie trocken, wäre alles noch viel schlimmer", meinte Müller sarkastisch. Dr. Müller skizzierte ein Geschmacksprofil für einen wünschenswerten, modernen trockenen Riesling im Premiumbereich: keine vorgespiegelte Harmonie durch säureüberlagernde Süße und keine Anhebung der Grenzwerte für trocken, sondern Geschmacksharmonie durch moderate Säurewerte (ca 5,8 bis 7,5 g/l) begleitet von geschmacklicher Fülle und Dichte durch vorhandenen Alkohol von 11 bis 13,5 Volumenprozenten, hohen Gehalt an wertvollen Extraktstoffen und durch ausreichende Hefekontaktzeit sowie eine intensive terroir- und sortentypische Aromastruktur, will heißen reife Rieslingaromen (Pfirsich, tropische Früchte, Citrus) anstelle unreifer (grüne Äpfel) oder vegetativer grüner Aromen. Es bedürfe eines physiologisch hochreifen Lesegutes. Und das ist - neben vielen weiteren Maßnahmen zur Qualitätsoptimierung wie Ertragsregulierung und Optimierung der Belichtungsverhältnisse, der Standraumgestaltung und der Laubarbeiten - nur über einen späten Lesetermin zu erreichen. Dr. Müller sprach noch eine Reihe von Maßnahmen an, von der Düngung bis zum Pflanzenschutz. Den größten Aha-Effekt freilich erntete er mit einer Darstellung der Erntestatistik aller rheinland-pfälzischen Anbaugebiete seit 1980: da liegt die Mosel zusammen mit der Pfalz an der Spitze im 22-jährigen Schnitt, trotz vermeintlich ertragsschwächerer Sorte Riesling und ertragsärmerer Standorte. Sein Fazit: Mehr Spitzenweine, vor allem im Trockenbereich, kann es nicht geben, solange die Durchschnittserträge auf diesem Niveau bleiben. Klasse statt Masse also.

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