Leidenschaftlicher Kämpfer für die Innenstadt

BERNKASTEL-KUES. Ob Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Johannes Rau oder der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber - sie alle haben in der Vergangenheit Post von Günther Hees erhalten. Mit unermüdlichem Eifer will der 78-jährige Seniorchef des traditionsreichen Modehauses Hees in Bernkastel-Kues die führenden Politiker im Land wachrütteln, um die Verödung der Innenstädte zu verhindern.

"Die ständige Vermehrung und Vergrößerung von Supermärkten auf der grünen Wiese sind Sargnägel für unsere Innenstädte." Dieses markige Urteil fällt Günther Hees, der seit sechs Jahren mit spitzer Feder gegen große Discounter und riesige Einkaufszentren vor den Toren der Stadt zu Felde zieht.Seit 55 Jahren ist Hees in Bernkastel-Kues als Kaufmann tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er den 1886 gegründeten Familienbetrieb wieder aufgebaut und zu einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen mit derzeit rund 40 Mitarbeitern gemacht.Doch wenn sich Hees heute in kleineren und mittleren Städten umschaut, dann erfüllt ihn das mit großer Sorge.Während in den Vororten große Supermärkte wie Pilze aus dem Boden schießen, nimmt in den Innenstädten die Zahl der leer stehenden Geschäfte mehr und mehr zu. "Diese Leerstände entstellen das Gesicht unserer Innenstädte, die doch ein wichtiger Bestandteil unserer Lebenskultur sind", kritisiert Hees.In seiner Heimatstadt hat sich der Unternehmer und langjährige Vorsitzende des Gewerbevereins zeit seines Lebens für eine attraktive City eingesetzt, doch zum Briefe schreibenden "Kämpfer für die Innenstadt" wurde Hees erst 1997.Damals lief der Modehaus-Inhaber gegen das geplante Factory Outlet Center auf dem Flughafen Hahn Sturm. Zusammen mit seinen Söhnen Victor und Stephan, die das Unternehmen jetzt führen, schloss er sich dem Arbeitskreis der Sohrener Geschäftsleute "Rettet die Innenstadt" an und intervenierte schriftlich bei Ministerpräsident Kurt Beck und beim damaligen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gegen das Vorhaben."Ausweichend und fast nur dummes Zeug"

Die Baugenehmigung für das Fabrikverkaufs-Zentrum wurde zwar letztlich nicht auf dem Hunsrück-Airport, sondern in Zweibrücken erteilt, doch der "Erfolg" vor der eigenen Haustür war für Günther Hees kein Grund, seinen Kampf gegen die Billig-Anbieter auf der grünen Wiese aufzugeben.Um jenseits des eigenen Kirchturmsblicks auf die allgemein drohende Verödung der deutschen Innenstädte hinzuweisen, schickte Hees fortan von Bernkastel-Kues aus Briefe an Landräte, Oberbürgermeister großer Städte, an Landtagsmitglieder, Bundestagsabgeordnete, an Ministerpräsidenten wie beispielsweise Edmund Stoiber aus Bayern, aber auch an Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Bundespräsidenten Roman Herzog und Johannes Rau."Insgesamt waren das im Laufe der Jahre Schreiben an rund 150 Personen", schätzt Hees.Antworten erhielt er dabei fast immer, wenngleich die Polit-Prominenz diese Aufgabe mitunter an ihre persönlichen Referenten delegierte. Doch was Hees teilweise zu lesen bekam, stellte ihn oft nicht zufrieden. Wie beispielsweise bei seinem letzten Brief, den ein Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement vor wenigen Tagen beantwortete: "Ausweichend und fast nur dummes Zeug", urteilt Hees lakonisch - und das sei kein Einzelfall.Andererseits habe er in vielen Antwortbriefen Verständnis für seine Sorgen erfahren. "Aber", so Hees, "es geschieht trotzdem nichts."Vielfach sei betont worden, dass die große Politik nur begrenzten Einfluss darauf hat, wo und in welcher Anzahl die von Hees so heftig kritisierten Supermärkte gebaut werden. Deshalb sei er auch oft an die kommunalen Gremien zurückverwiesen worden.In "bedrückter Zustimmung gelesen"

Mitunter rannte Hees aber auch offene Türen ein und hatte Grund, sich über aufmunternde Worte aus berufenem Munde zu freuen.So schrieb Altbundeskanzler Helmut Schmidt dem Geschäftsmann, dass er "den nachdenkenswerten Zeilen über die Zukunft der Innenstädte ausdrücklich zustimmt".Und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker betonte, dass er den Brief des Moselaners mit "großer Aufmerksamkeit und bedrückter Zustimmung gelesen habe"."Schade nur, dass die beiden nicht mehr in Amt und Würden sind", bedauert Hees.Doch obschon all seine Briefe und Appelle nicht verhindern konnten, dass die großen Konzerne und Supermarkt-Ketten die mittelständischen Betriebe in den Innenstädten immer mehr in Bedrängnis bringen, seinen Kampf will der 78-Jährige nicht aufgeben: "Resignieren kommt für mich überhaupt nicht in Frage." Er wird weiter kämpfen. "Die Politiker werden auch in Zukunft noch einige Unannehmlichkeiten von mir zu hören bekommen", verspricht Hees.

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