Leistungsträger ohne große Lobby

REIL. Eleonore Roth engagiert sich seit 15 Jahren im "Verband allein Erziehender Mütter und Väter" VAMV für die Rechte dieser wachsenden Familienform.

Die Tendenz ist steigend. Schon jetzt leben in Deutschland rund zwei Millionen Einelternfamilien. Doch die gestelzte Vokabel gefällt Eleonore Roth nicht besonders. In ihrem Wortschatz heißen die Alleinerziehenden "Mutterfamilie" beziehungsweise "Vaterfamilie".Die Sozialwissenschaftlerin nennt die Hauptprobleme, die Müttern mit Kindern begegnen, wenn sie arbeiten wollen oder müssen: unzureichende Kinderbetreuung, mangelnde Angebote an Teilzeitarbeit, wenig Flexibilität der Arbeitgeber, unzureichende steuerliche Berücksichtigung der Kinderkosten, zu wenig oder gar keinen Kindesunterhalt der Väter.Vorurteilen gegenüber Alleinerziehenden und deren Nachwuchs tritt Eleonore Roth äußerst gelassen und bestens informiert entgegen. Sie schöpft aus dem reichhaltigen Fundus des VAMV. Die noch immer weit verbreitete Ansicht von den Alleinerziehenden als Sozialschmarotzer macht sie rasend. "Wir sind im Gegenteil wesentliche Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft." Mit einer Wochenarbeitszeit von 77 Stunden sind berufstätige Alleinerziehende die am meisten belastete Gruppe überhaupt. Improvisation, Stressmanagement, hohes Organisationsniveau oder finanzielle Akrobatik - zählt Roth die Stärken dieser Mütter, seltener auch Väter, auf.Benachteiligung durch neue Steuerpläne

Doch wo bleiben die fälligen Belohnungen? "Stattdessen wird der Haushaltsfreibetrag, der bislang im Jahr 2871 Euro steuerliche Entlastung als Äquivalent zum Ehegattensplitting bot, ab 2004 nur noch 1308 Euro betragen. Im Vergleich zu allen anderen Steuerzahler/innen, die vom Vorziehen der Steuerreform profitieren werden, werden Alleinerziehende keine Vorteile haben.Immer häufiger werden auch Arbeitsverträge verweigert, weil man häufiges Fehlen wegen der Kinder unterstellt. Statistiken belegen aber das Gegenteil: Alleinerziehende Mütter fehlen weniger, weil der Job Lebensnotwendigkeit und keine luxuriöse Nebenbeschäftigung ist. Die Pisa-Studie zeigte auch, dass Kinder berufstätiger Mütter in den Leistungen besser abschneiden, als die, deren "Mutter ganztags um ihr Kind rotiert", wie die verstorbene Ministerin Regine Hildebrandt es einst treffend ausdrückte.In der Lobbyarbeit auf politischem Feld für die Anliegen der alleinerziehenden Familien sieht Eleonore Roth dann auch ihr Engagement im Vorstand des Landesverbandes Rheinland-Pfalz. Die Arbeit reißt nicht ab: Anhörungen zu Gesetzesänderungen, die Familien betreffen, die Einführung der Ganztagsschulen oder die steuerliche Benachteiligung gegenüber verheirateten kinderlosen Ehepaaren, für Roth eine besondere Zumutung."Der VAMV ist zu meinem Hobby geworden", sagt die Frau, die gerade aus Bangladesch zurück gekehrt ist. Sie verdient ihr Geld bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, zur Hälfte in Frankfurt, zur Hälfte am heimischen Telearbeitsplatz. Die Politik macht ihr Freude, die Verbandsarbeit auch, und Mutter zu sein ebenso. "Das eine befruchtet das andere."Vergangene Woche in Bangladesch besuchte sie Frauen: Landlose Mütter, die jeweils 25 Bäume zur eigenen Bewirtschaftung pflanzen durften und somit wieder Hoffnung schöpfen für die Zukunft. Auch sie vertreten ihre Anliegen kompetent. Jede da, wo sie steht.

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