Letzte Ruhe unterm Rasen

WINTRICH. Mit der Alternative einer Rasenbestattung hat Wintrich seit diesem Jahr relatives Neuland in der Region beschritten. Dass sich seither traditionelle und Rasen-Gräber in etwa die Waage halten, bestätigt die Entscheidung.

Eine letzte Ruhestätte in der Natur, mit Blättern auf grasbewachsenen Grabstätten statt "Prunk und Platten" und ohne Arbeit für die Nachkommen - dafür wollte sich Hedwig Martini in Wintrich einsetzen. "Und wenn deine fünf Jahre im Rat nur dafür gut sind", hatte sich die 58-Jährige gesagt. Es sei ihr einfach ein Bedürfnis gewesen, meint sie zu ihren Beweggründen. "Ich finde, es passt heute in die Zeit - viele Kinder sind ja nicht mehr im Dorf." Von ihrer Idee überzeugt, brachte Martini mit einer Unterschriftenaktion bei den Bürgern eine neue Friedhofssatzung auf den Weg. Wobei Martini statt an einen Wiesenfriedhof ursprünglich eher an eine Art Waldfriedhof gedacht hatte. Der obere Bereich des Friedhofs mit seinem alten Baumbestand schien ihr dafür ideal.Dass die Gemeinde mit der Rasenbestattungsfläche dann doch "unten auf diesen großen leeren Friedhof" gehen musste, war eigentlich nicht in ihrem Sinn gewesen. Doch tröstet sie sich damit, dass auf der separaten Fläche mit heute bereits vier Reihengräbern Bäume und Bänke aufgestellt werden sollen.Die Frage der richtigen Fläche war in Wintrich ausgiebig beraten worden. Denn einerseits sind auf den bestehenden Grabflächen die Ruhezeiten einzuhalten. Andererseits schreckte die Alternative ab, rasenbewachsene und traditionelle Gräber Reihe um Reihe anzulegen. Das Risiko, die Rasengräber könnten, wenn auch unbewusst, mit der Zeit als Wege genutzt werden, schien zu groß. Die jetzige Lösung bietet hingegen die Möglichkeit, dass unabhängig von der Zahl der Bestattungen nach den jeweiligen Alternativen beide Flächen mit der Zeit "zusammenwachsen" können.Die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung kam für einige überraschend. "Ich habe mich anfangs auch schwer getan", gesteht Ortsbürgermeister Dirk Kessler. Doch sei er eines Besseren belehrt worden. "Gerade die Älteren sind von der Idee angetan", erkannte der Gemeindechef.Der Antrieb dieser Generation sei die Frage, wer denn später wohl ihre Grabstellen pflegen wird. "Man muss ja sehen, dass wir schlecht gepflegte Grabstätten haben", so Kessler. Junge Leute, die weiter weg wohnten, könnten diese nicht so in Ordnung halten und vor Ort lebende Ältere hätten meist ohnehin schon mehrere Gräber zu versorgen.Obwohl diese Fakten vielen bereit bewusst sind, tut sich die Bevölkerung mit der zuvor einzigen Alternative erfahrungsgemäß schwer. "Urnenbestattung ist einfach nicht Jedermanns Sache - gerade in unserer katholisch geprägten Gegend", weiß Hans-Otto Gorges. Ebenso wenig sei eine anonyme Beisetzung im ländlichen Raum üblich.Für den Wunsch seines Vaters, einmal auf dem künftigen Rasenfriedhof bestattet zu werden, hatte er daher Verständnis. Dass Albert Gorges jedoch der Erste sein würde, der im Sommer dort seine letzte Ruhestätte fand, hatte jedoch keiner wissen können. Aber er war nicht lange der Einzige auf der großen freien Fläche. Denn seither wurde nur noch jeder zweite Verstorbene auf traditionelle Weise bestattet. Hans-Otto Gorges ist daher sicher: "Das ist schon die Zukunft." Eine Ansicht, die er im offenkundigen Interesse anderer Gemeinden bestätigt sieht. Einige Bürgermeister hätten sich den Wintricher Friedhof schon angesehen, berichtet er.Einmalige Gebühr von 3000 Euro

Der entgültige Beschluss für die begrünten Reihengräber war im Januar gefallen. Mit nur einer Enthaltung hatten die Ratsmitglieder ihr Einverständnis gegeben. Demnach übernimmt die Gemeinde die Rasenpflege und das wiederkehrende Verfüllen der Grabstätten sowie das Setzen einer, von den Angehörigen zu beschaffenden, schlichten Namens-Tafel in der Abmessung 40 mal 40 Zentimeter. Auch anonyme Bestattungen sind auf diese Weise gestattet.Die einmalige Gebühr für die Belegungsdauer von 25 Jahren beträgt 3000 Euro. Für die folglich rechnerisch pro Jahr anfallenden 120 Euro entfallen jedoch die sonst üblichen Ausgaben für Grabstein oder -platte sowie ein Teil der Kosten für den Blumenschmuck. Denn dieser ist auf den zu mähenden Flächen nur in der vegetationslosen Zeit von November bis Ostern gestattet.

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