Luxus des Lebens

WITTLICH. (tol) Die Fastenzeit steuert auf die Zielgerade zu. In einigen Tagen werden wieder 40 Tage Buße und Demut zu Ende gehen. Doch ist die Zeit des Verzichts im 21. Jahrhundert wirklich noch von Bedeutung? Der TV hat nachgefragt.

Wenn man von der Fastenzeit spricht, denken viele gleich ans Hungern. Dieser fatale und besonders ungesunde Irrtum stammt aus dem tiefsten Mittelalter. Damals durfte - abgesehen von täglich einer Scheibe Brot und drei Schluck Bier oder Wasser laut streng katholischer Lehre - nichts auf den Tisch. Erst als Papst Innozenz VIII. 1486 auch Milchprodukte erlaubte, verabschiedete man sich von den harten Regeln. Seither ist die Moral der Fastenden mehr und mehr eingeknickt. Die strengen Fastentage sind mit Ausnahme von Aschermittwoch und Karfreitag Geschichte. Vielmehr geht es heute um gesunde Ernährung, Konsumverzicht und das Überdenken von Alltagsgewohnheiten. Tatsächlich aber findet selbst diese vergleichsweise harmlose Form des Fastens heute kaum noch Anhänger. Auch das Votum der Befragten bei unserer TV-Umfrage in der Fußgängerzone Wittlich hätte kaum deutlicher ausfallen können. "Ich muss gestehen, dass ich all den Ziehauf noch niemals in meinem ganzen Leben mitgemacht habe und mich auch in Zukunft bestimmt nicht daran beteiligen werde", sagt die Schülerin Anne (17) mit einer Eiswaffel in der Hand. So wie sie hält es die große Mehrheit. Vor allem bei der jüngeren Generation ist das Fasten völlig out. Gehört hat jeder schon einmal von der Passionszeit, doch dass wir gerade wieder mittendrin stecken, haben überraschend wenige realisiert. Die meisten Befragten zeigen kein Interesse am Thema oder halten es schlicht für Blödsinn. Auf Diät ist man kurz vor Ostern nicht aus religiösen Gründen, sondern höchstens um abzunehmen. Nur dem Alkohol entsagen einige

"Ich halte vom Fasten überhaupt nichts. Wieso sollte ich wochenlang auf Cola und Cheeseburger verzichten? Das ist purer Unsinn!", stellt auch Markus (15) fest. Dieter Braun vom Köcheverein Mittelmosel kennt diese Einstellung nur zu gut: "Beim Essen spüren wir keinerlei Veränderung. Mit dem Fleischumsatz verhält es sich völlig normal. Nur beim Alkohol haben einige wenige Kollegen leichte Rückgänge zu verzeichnen", sagt der erfahrene Koch. Wenn es also unbedingt sein muss, schiebt man am ehesten das Bier zur Seite. Sieben lange Wochen ohne Fernseher, Computer oder Handy hingegen sind für fast jeden undenkbar. Nach denen, die sich noch immer eisern der Fastenzeit beugen, muss zwar lange gesucht werden, doch es gibt sie. Etwa im Kloster Springiersbach bei Bengel. Die Bewohner verzichten auf den Luxus des Lebens. "Es gibt keine Süßigkeiten, bloß einfaches Essen", erklärt Pater Dominikus auf TV-Anfrage. Damit stehen der Pater und seine Mitbrüder ziemlich allein auf weiter Flur.

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