Manchmal schräg, niemals schrill

TRABEN-TRARBACH. In vergangenen Jahrhunderten gepflegt und geliebt, ist die Hausmusik heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Doch um Gunhild Neuser im Traben-Trarbacher Ortsteil Wolf hat sich ein kleiner, fröhlicher Kreis fideler Musiker gefunden, der diese Tradition weiter pflegt und von Zeit zu Zeit sein Können auch öffentlich unter Beweis stellt.

Ganz gemütlich beginnt der Nachmittag, der an diesem Mittwoch fünf Musiker an dem von Gunhild Neuser liebevoll gedeckten Kaffeetisch vereint. Erika Ferring, die Geigerin aus Wittlich, und Cornelia Koller, die Flötistin aus Flußbach, sind verhindert. So ist es ein Quintett, das zunächst den leckeren, selbst gebackenen Käsekuchen genießt und anschließend gestärkt zu den Instrumenten greift. Gunhild Neuser sitzt erwartungsvoll hinter ihrem Flügel, Martha Walker hat die Oboe angesetzt, und Elfriede Döll wählt die passende Blockflöte aus ihrer Sammlung, die von Sopran bis Bass reicht. Klaus Völcker hält den Bogen, der gleich die Cello-Saiten schwingen und klingen lässt. Alle Fäden und Töne scheinen bei Horst Faust zusammen zu laufen. Der muntere pensionierte Realschullehrer aus Starkenburg verteilt die Noten, singt Themen vor, erläutert Taktwechsel und spielt große und kleine Barock-Oboen, die er selber hergestellt hat. Kurzum, in dieser Runde ist er einfach tonangebend. "Er spielt auch noch Fidel", merkt Gunhild Heuser respektvoll über ihren Kollegen an. Jetzt jedoch kommt bei Faust die Tenor-Oboe zum Einsatz, alle Instrumente sind gestimmt, und zu Beginn steht eine Triosonate in a-moll von Joseph Bodin de Boismortier auf dem Programm. Das Quintett spielt die ersten beiden Sätze, die sehr gefällig klingen und fehlerfrei die gespannten Zuhörer erreichen. Kaum zu glauben, dass die fünf dieses Stück zum ersten Mal gespielt haben. Und so ist die Begeisterung denn auch groß, als die Instrumente aus der Hand gelegt werden. "Das geht ja richtig unter die Haut", sagt die Pianistin, und Horst Faust schwärmt: "Das sind tolle Sätze." Die Runde klärt er anschließend darüber auf, dass Komponist Boismortier ein Moselaner war. "Er ist in Diedenhofen geboren, deswegen haben wir ihn ins Herz geschlossen", sagt er lachend. "Da steht ja vivace, das hätte viel schneller gespielt werden müssen", stellt Gunhild Neuser nun beim Blick aufs Notenblatt fest. Doch fürs erste hat auch der etwas getragene Vortrag die Begeisterung der Musiker und Zuhörer erweckt. Und schon geht es weiter, das quirlige Quintett lässt die Töne durch die gemütliche Wohnstube wirbeln. Wenn es mal etwas "schräg" klingt, weil einer nicht so schnell mitgekommen ist, werden die Takte in Ruhe wiederholt, bis alle ihre Fingerfertigkeit erreicht haben. "Hauptsächlich spielen wir Barockmusik", sagt Faust, der mit seinen Mitspielern im 14-tägigen Rhythmus auch in der Senioren-Akademie in Kues musiziert. Jetzt verteilt er neue Notenblätter an die Runde: Cantabile I heißt das Werk, die ersten beiden Sätze sind von Georg Philipp Telemann, der Rest von Horst Faust. "Da hat mich die Muse geküsst", schmunzelt der Musiker. Eifrig übt das Quintett, das zusammen 350 Jahre alt ist, jedoch keinerlei Abnutzungs- oder Ermüdungserscheinungen zeigt. Die Bauernkantate von Johann Sebastian Bach und ein Air aus der Ouvertüre G-Dur von Johann David Heinichen sind die nächsten Werke. Die Bläser brauchen oft einen langen Atem, und Faust ruft zum Klavier: "Die rechte Hand ein bisschen leiser spielen." Trocken stellt er anschließend fest: "Ganz schön schräg, was sich da entwickelt." Es wird von vorne begonnen, doch schließlich finden alle Spieler zusammen, und Faust jubelt: "Ja, jetzt haben wir's" und fordert seine Mitspieler sogleich auf: "Machen wir's noch mal." Was leicht und locker klingt, ist das Ergebnis vieler Übungsstunden. Am 20. April werden die Künstler im Heinrich-Held-Haus das Treffen des Frauenkreises musikalisch umrahmen. Die Oboistin Martha Walker, die auch noch Englisch Horn spielt, stammt aus den USA. "Dort hätte ich nur die Möglichkeit, in einer großen Stadt einen solchen Musizierkreis zu finden", sagt sie, "niemals jedoch in einer Größenordnung von Traben-Trarbach."

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