Mann für den richtigen Ton

STARKENBURG. Die Holzblasinstrumente der Barock- und Renaissancezeit haben es Horst Faust aus Starkenburg angetan. Der pensionierte Realschullehrer spielt sie nicht nur meisterhaft, sondern er stellt sie in seiner häuslichen Werkstatt selber her.

Schritt für Schritt entstehen unter seinen kundigen Händen aus einem Holzkantel beispielsweise eine elegante Oboe oder eine Schalmei. Der Laie, der - wörtlich zu verstehen - von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, folgt den begeisterten Erläuterungen des vitalen 78-Jährigen nur mit Mühe. Das ist eine Wissenschaft für sich, und der Respekt vor dem gebürtigen Traben-Trarbacher wächst: Er hat sich alle Kenntnisse selber angeeignet, und presto prescht er voran, wenn er weniger Pfiffigen die Einzelheiten des Instrumentenbaus erklärt. Die Musik ist seine Leidenschaft. Dieses Fach hat er neben Mathematik auch an der Trabener Realschule unterrichtet. Seit 1988 ist Faust im Ruhestand, doch still ist es in seinem Leben keineswegs geworden. Jede Woche wird musiziert, entweder im Hausmusikkreis um Gunhild Neußer in Wolf oder im Orchester des Cusanus-Stiftes in Bernkastel-Kues. Faust fidelt, trifft auf allen Holzblasinstrumenten den richtigen Ton, spielt Klavier, Cello und Orgel. Doch damit nicht genug: Der talentierte Starkenburger ist auch als Komponist erfolgreich, Solo-Sonaten verwandeln sich unter seiner Feder mit schwarzer Tinte zu Quartetten, die im Musikkreis uraufgeführt werden. Diese Kompositionen mit Faustschen Komponenten erklingen im Stil der alten Meister. 1970 erwarb Faust ein Kortholt, ein Oboeninstrument, das im 15. und 16. Jahrhundert gespielt wurde. "Wenn man damit anfängt, will man nicht nur ein Instrument spielen", sagt er. "Auf Dauer wäre das zu teuer geworden, also fing ich an, sie selbst zu bauen". Dem Besucher rauscht der Kopf, wenn er erfährt, dass es Rauschpfeifen, Rohrblatt- und Windkapselinstrumente gibt, Pommern und Dulciane, Cornamusen, Chalumeaus und viele andere mehr. "Das waren die Instrumente der Spielleute in der Zeit der Renaissance", weiß Faust. Im Keller richtete er sich eine Werkstatt ein, schaffte sich eine Drehbank und Bohrer an. Hier erfüllt aromatischer Holzduft die Luft, und hier fliegen auch die Späne, wenn Horst Faust seinen Instrumenten zu den richtigen Rundungen verhilft. Doch bis das Drechseleisen zum Einsatz kommt, liegen schon viele Arbeitsstunden hinter ihm. "Man braucht Vorbilder", sagt der Fachmann, und alte Instrumente findet er in Museen und Privatsammlungen. Aus Hartkunststoff hat er winzige Scheibchen in verschiedenen Millimeter-Abständen gedrechselt, mit denen er das Innenleben dieser Instrumente vermisst. Aus den Messergebnissen erstellt er ein Profil, und diese Konstruktionszeichnung erinnert gefährlich an wenig geliebte Mathematikstunden. Es folgt die zylindrische Bohrung, und danach entfernen die so genannten Räumer aus Metall die dabei entstandenen Stufen. Mit Glaspapier werden weitere Korrekturen vorgenommen, und nach dem Drechseln bohrt Faust, der sich auf Oboen spezialisiert hat, die Spiellöcher und montiert die Metallklappen, die er ebenfalls selbst herstellt. Farbbeize oder Öllack verleihen dem Instrument den letzten Glanz. Dies ist die stark verkürzte und vereinfachte Darstellung einer höchst komplizierten Arbeitsabfolge. Bei Faust sitzt jeder Handgriff, kaum zu glauben, dass er nie bei einem Meister in die Lehre ging. "Es war ein langer Prozess, bis ich das alles selbst erlernt hatte", sagt er. Aus Rosenholz und Ahorn, Apfel, Pflaume, Kirsche, Ebenholz und Palisander sind seine Werke gefertigt, und sie sehen schmuck und stolz aus. Horst Faust indes ist ganz bescheiden geblieben, und wenn er den historischen Nachbauten die zauberhaften Töne entlockt, dann wird die Musik aus lange vergangenen Zeiten wieder lebendig.

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