Mann mit erzählenden Händen

WITTLICH. "Wollten alle Jugendlichen der Welt Hand in Hand gehen, so wäre morgen das Glück da": Das steht auf der Bronzeplakette zum Internationalen Jahr der Jugend, ein Geschenk an die Bundesregierung der Bronzegießer 1985. Silvio Dell' Antonio hat sie geschaffen. Der Spruch ist so zeitlos wie sein bildhauerisches Werk.

Hände patschen auf die kleinen Schweinchen: Die kleinen Bronzetiere auf dem Brunnenrund vor dem Sparkassengebäude locken Kinder. Kunst zum Anfassen. Der Wittlicher Bildhauer Silvio Dell' Antonio hat diesen kleinen und auch den großen Säubrennerbrunnen am Pariser Platz geschaffen, dessen Standort-Debatte die Wittlicher als Politikum engagiert begleitet haben. Ein Zeichen dafür, dass die Arbeit die Herzen in seiner Heimatstadt bewegt.Familientradition "geerbt"

Und bewegend ist auch ein Besuch bei Silvio Dell' Antonio. Nach einem schweren Sturz vor vier Jahren ans Bett gefesselt, kann er selbst nicht mehr für sein Werk sprechen. Seine Frau Waltraud Dell' Antonio erzählt, wie sie sich kennen gelernt haben: "Ich besuchte ab 1937 acht Semester die Bildhauerklasse der Meisterschule des Deutschen Handwerks in Trier. Auch Silvio studierte dort für ein Semester." Davor lernte er an der Akademie für angewandte Künste in München und nach dem Trierer Aufenthalt an der Akademie für freie Künste. Nach dem Krieg hat Dell' Antonio, gebürtiger Südtiroler, wieder Kontakt nach Trier gesucht und ist wegen der Liebe geblieben. "Dieses Jahr hätten wir an Silve-ster goldene Verlobung", sagt die zierliche Frau, der man kaum glauben kann, dass sie einmal einen Steinmetz-Betrieb mit 18 Mann geleitet hat: "Wir haben den Südflügel am Trierer Palais wieder aufgebaut. Damals hatten Steinmetze genug zu tun." Ihr Mann hat wie sie seinen Beruf sozusagen als Familientradition geerbt. "Silvios Vater, Professor Cyrillo Dell' Antonio, ist ein ganz namhafter Bildhauer gewesen. Hanns Scherl war einer seiner Schüler in seiner Schule im Riesengebirge. Silvio ist Münchner Schule. Und Moroder, das ist der Hausname seines Großvaters, der war auch Bildhauer und Maler. Das waren irre Zeiten, so um die Jahrhundertwende. Die hatten ja in München ihre Ateliers, das waren Salons, wo man Empfänge gegeben hat. Silvios Mutter ist eine geborene Moroder. Jetzt sehen Sie sich mal diesen Stammbaum an, ist der nicht schön!" Und sie zückt aus einer zweibändigen Familiengeschichte einen gigantischen Stammbaum, als südtiroler Apfelbaum gezeichnet, so liegt er dann aufgefaltet auf dem Boden. Daneben scheint ein Maulwurf aus der Erde zu klettern - Eine der unzähligen kleinen Tierplastiken, die das Zimmer bevölkern. Sie zeugen von souveränem Gestalten und einer Begeisterung für die Formen der Natur, und - sie erzählen Geschichten. Der weit gereiste Bildhauer hat einfach mit seinen Händen erzählt, der Form seiner Werke Symbolkraft gegeben. Auf einem Tisch stehen neben den Säubrenner-Kindern, die auf ihrem Schweinchen reiten, zwei Elefanten-Plastiken: "Das ist eine thailändische Elefantenschule, die Mutter mit ihrem Jungen und die Tante, die auf die kleinen aufpasst, wenn die Mutter im Dschungel arbeitet", erklärt Waltraud Dell' Antonio und zeigt auf eine andere kleine Bronze: Ein sinnlicher Bacchus reckt eine Traube ins Sonnenlicht: "Das ist seine letzte Arbeit."Eine Dokumentation des Werkes fehlt

Gegenüber steht ein Wittlicher Original: Viktor Wintrich, seinen Narrenzug hinter sich her ziehend: "Das ist eine Arbeit von Sebastian Langner", sagt die Hausherrin. Den jungen Wittlicher Steinmetz, genau wie dessen Künstlerkollege Jürgen Waxweiler, hat vielleicht die Bekanntschaft mit Silvio Dell' Antonio und seiner Frau auf den Weg zum Gestalten gebracht. Und die früheren Schüler kümmern sich um die Arbeiten ihres Lehrers. Sebastian Langner wird die Replatzierung des Säubrennerbrunnens an seinen ursprünglichen Standort im Zentrum des Pariser Platzes begleiten. So schließt sich der Kreis. Was noch fehlt ist eine Dokumentation, die das Werk des 90-jährigen Bildhauers würdigt, der in vielen öffentlichen Aufträgen mehr als Geschichten in Stein, Eiche und Bronze erzählt hat.

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