Medizinischer Notstand am Wochenende

Wer früher in der Verbandsgemeinde (VG) Ruwer am Wochenende erkrankte, konnte sich an einen niedergelassenen Arzt wenden, der den Notdienst versah. Auf Betreiben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wurde Anfang 2007 die Wochenend-Bereitschaftsversorgung im Mutterhaus in Trier konzentriert. Eine Lösung, die in der VG Ruwer von Beginn an auf Bedenken stieß. Inzwischen haben sich die Befürchtungen bestätigt. Eine Rückkehr zum alten System wird es dennoch nicht geben.

Waldrach. Die KV versprach sich von dieser Umorganisation eine verbesserte medizinische Leistung bei gleichzeitiger Kostenreduzierung. Ob die Kosten tatsächlich gesenkt werden konnten, ist nicht überprüfbar. Von einer verbesserten Leistung könne jedoch keine Rede sein, heißt es im Ruwertal.

Die Berichte über Vorfälle häufen sich



Inzwischen häufen sich die Berichte von schwerwiegenden Vorfällen am Wochenende. In einem Schreiben an die KV wies nun Bürgermeister Bernhard Busch auf die Missstände hin und nannte dabei beispielhaft einen Vorfall aus dem Jahr 2007: Am 13. Januar 2007 litt eine Frau in Waldrach plötzlich an akuter Atemnot. Da kein Arzt in der Nähe bereitstand, alarmierten die Angehörigen den Notarzt. Der sei erst nach rund zwei Stunden in Waldrach eingetroffen und habe sich heftig wegen der Alarmierung beschwert. Zitat: "Ich habe Wichtigeres zu tun!" Am nächsten Tag, so Busch, sei die Patientin gestorben.

Viele betroffene Ruweranrainer klagen zudem über stundenlange Wartezeiten beim Trierer Bereitschaftsdienst. Der Kaseler FWG-Vorsitzende Hermann Cossmann berichtet von einem Arbeitsunfall, bei dem ein Bekannter mit zerschnittener Hand drei Stunden auf eine Behandlung warten musste. Und die 82-jährige Mutter seiner Mitarbeiterin Marlene Schnur wurde jüngst an einem Freitag in hilflosem, verwirrtem Zustand und mit genähter Kopfplatzwunde aus dem Trierer Brüderkrankenhaus nach Hause entlassen. "Die Frau stand zwischen Leben und Tod, und es war kein Arzt zu erreichen", erklärt Schnur gegenüber dem TV. Das Brüderkrankenhaus weist dies zurück.

"Ein längerer stationärer Aufenthalt war im geschilderten Fall medizinisch nicht mehr geboten. Nach der Entlassung ist für die ambulante Versorgung grundsätzlich der (nicht mehr vorhandene; die Redaktion) Notdienst der niedergelassenen Ärzte zuständig", heißt es auf Anfrage.

"Am zentralen System lässt sich nichts ändern"



Die KV in Mainz beziffert die Trierer Wartezeiten auf durchschnittlich 18 Minuten, was im Widerspruch zu den Aussagen vieler Betroffener steht.

Das Ergebnis des Schriftwechsels und eines Gesprächs mit der KV teilte Bürgermeister Bernhard Busch in der jüngsten Sitzung des Verbandsgemeinderats mit. Es war weder für die Ratsmitglieder noch für die Zuhörer erfreulich. "Es hat sich bei dem Gespräch herauskristallisiert, dass sich am derzeitigen zentralen System nichts mehr ändern wird. Man will es sogar weiter ausweiten", erklärte Busch.

Zwei Punkte seien dabei nun maßgeblich:

Die Menschen in der VG Ruwer müssen so gut wie möglich medizinisch versorgt werden.

Die ländliche Infrastruktur, zu der auch die medizinische Versorgung zähle, müsse erhalten werden.

Als möglichen Ausweg nannte Busch den verstärkten Einsatz speziell ausgebildeter ehrenamtlicher Helfer - den sogenannten "First Respondern" (Ersthelfer am Ort). In Pluwig habe sich diese Einrichtung bereits in einem Notfall bewährt. Busch: "Ein Ersthelfer konnte dort jüngst wertvolle Hilfe leisten und wahrscheinlich ein Menschenleben retten." Die Mitteilung des Bürgermeisters hatte zunächst nur informativen Charakter. Einen Beschluss zum Thema musste der Rat nicht treffen.

Meinung

Ein Ort für Gesunde

Die Verbandsgemeinde Ruwer mit ihrem Weinbau und touristischen Attraktionen zeichnet sich durch eine hohe Lebensqualität aus - in der Woche und wenn man gesund ist. Aber bitte dort nicht zwischen Freitagabend und Montagmorgen akut erkranken - dann könnte es eng werden. Ein anderes Thema ist die frühe Entlasspraxis der Krankenhäuser vor den Wochenenden, die jedoch wegen dann fehlender medizinischer Ansprechpartner die Lage noch erschwert. Die Kassenärztliche Vereinigung spielt dies herunter, doch sie wird sich den Fragen der Betroffenen stellen müssen. In der Bevölkerung rumort es - und die Kommunalpolitik hat das Thema nun aufgegriffen. Ruhe kehrt keine mehr ein. f.knopp@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort