Mehl aus dem Winzerdorf

PLATTEN. Zwei klapperten an der Lieser, eine am Bieberbach: Dass Platten ein bedeutender Mühlenstandort war, gerät in Vergessenheit. Auch die Maschinen des 80-jährigen Müllermeisters Rudolf Relles stehen längst still. Der Mühlengraben ist zugewachsen. Staub statt Mehl liegt auf seinem riesigen früheren Arbeitsplatz, der Relles-Mühle an der Lieser.

Im Mühlenteich hat er schwimmen gelernt und Aale gefangen. Mit den beiden Kaltblutpferden ist er mit dem Vater von Dorf zu Dorf gefahren, um das Korn abzuholen und hat das Handwerk des Vaters gelernt. Rudolf Relles wurde Müllermeister. "Gut, ich hätte lieber Medizin studiert", sagt er heute. Er, der außer im Krieg "eigentlich nie weg von Platten" war. Ins Winzerdorf kam er als Zwölfjähriger aus Dasburg/Eifel, nachdem sein Vater die Mühle erstanden hatte. Über seinen Beruf sagt er: "Man kann keine Reichtümer sammeln. Aber man braucht auch nicht immer wie ein Fließbandarbeiter zu schaffen. Die Müllerei besteht aus Reinigung, Mahlung, Sichtung und manchmal auch aus warten." Seine Frau Irene hat ihm zur Seite gestanden. Sie sagt: "Ich habe gerne geschafft und immer gesagt: Ich lerne noch einmal den Müllerberuf. Das Geräusch der Mühle höre ich heute noch, das Laufen der Maschinen, die Riemen." Wie war es sonst, damals in Platten? "Schön. Wir haben Federball, Klicker gespielt, waren Schlittschuhlaufen auf der Lieser, sind in den Weinberg gegangen oder zur Getreideernte aufs Feld. Und nach der Kartoffelernte kam die Dampfmaschine, darin wurden die Kartoffeln fürs Vieh gekocht. Da sind wir Kinder hingegangen und haben uns über Pellkartoffeln gefreut", erzählt Irene Relles: "Ich habe immer gesagt, ich will nur da hin, von wo ich einen Stein nach Hause werfen kann. Heimat ist Heimat. Wenn ich das Fenster aufmache, will ich einem Plattener ‚Guten Tag‘ sagen können." Wenn ihr Mann ganz oben auf dem Sichterboden der Mühle das Fenster aufmachte, konnte er weit über sein Heimatdorf blicken und ganz Platten ‚Guten Tag‘ wünschen. Jetzt steigt er noch einmal hinauf: "4000 Zentner Korn konnten wir lagern", sagt er, hebt eine alte Mehlschaufel auf und erklärt: "Je länger man mahlt, desto dunkler wird das Mehl, denn dann kommt die Kleie mit rein." Vom Sichterboden steigt er die Holzstufen hinab zum Rohrboden und noch ein Stockwerk tiefer zum Mahlboden. Dort ruhen die vier riesigen Maschinen, so genannte Walzenstühle, die früher das Korn in Mehl verwandelten. Dahinter schweben Mischbehälter über den Dielen. Rudolf Relles wischt eine Spinnwebe weg und sagt: "Darin ist eine Schnecke, die sich dreht. Die Mischmaschine hing an einer Waage, damit man feststellen konnte, wie viel Mehl vorhanden war." Alles funktionierte rein mechanisch, versteht sich. Die Walzenstühle hat noch Rudolf Relles Vater angeschafft, genau wie das pneumatische System, das das Becherwerk ersetzte. Kurz: Für Technikfreunde ist die alte Mühle immer noch beeindruckend. Elektronik, gar Computertechnologie, sucht man vergebens. Trotzdem hat es funktioniert, dank der Energie, die die Wasserkraft der Lieser lieferte. Sie machte man sich über Mühlenteich und -graben über ein Zwei-Meter-Gefälle zu Nutze. 900 Liter in der Sekunde trieben die Räder an. Kein Wunder, dass der Blick des Müllers täglich auch dem Wasser galt: "Die Lieser war ziemlich dieselbe wie jetzt. Es gab auch Hochwasser und Trockenheit. Wenn es ein gutes Weinjahr war, dann mussten wir den Motor laufen lassen", erinnert sich der Plattener: "Früher war der Müller ja auch Wetterprophet. Der konnte am Wasser sehen, wie das Wetter wird." Was im Wasser drin war, konnte er jedoch nicht ahnen. Irene Relles breitet ihre Arme aus: "So groß war sie, die Schnappschildkröte, die wir mal im Teich gefunden haben. Die war gefährlich, die hat gebissen!" Liebe Leser, wir möchten von Ihnen wissen, wie Platten im Jahr 2020 aussehen könnte, was sich bis dahin vielleicht geändert hat. Bitte senden Sie uns Ihre Vision per Mail in maximal 30 Zeilen à 33 Anschlägen bis Donnerstag, 6. Oktober, an mosel@volksfreund.de oder per Fax an 06571/972039.

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