Mehr Erwerbslose suchen Hilfe

BERNKASTEL-WITTLICH. Hartz IV und die Folgen: Der Start der Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit und des Landkreises (Arge) verlief besser als erwartet. Die Zahl der Leistungsempfänger fiel jedoch höher aus als erwartet.

 Erste Anlaufstelle für Erwerbslose: die Information der Arge in der Wittlicher Agentur für Arbeit.Foto: Marion Maier

Erste Anlaufstelle für Erwerbslose: die Information der Arge in der Wittlicher Agentur für Arbeit.Foto: Marion Maier

"Die Leute sind viel motivierter als vorher." So lautet eine Antwort, wenn man vor der Agentur für Arbeit in Wittich Betroffene nach ihrem Eindruck von der neuen Arge fragt. Auf der anderen Seite heißt es allerdings auch: "Ich fühle mich hier verlassen. Meine Wohnung ist nach den neuen Bestimmungen ein paar Quadratmeter zu groß. Jetzt komme ich hinten und vorne mit dem Geld nicht mehr klar. Und die Leute sind auch nicht sonderlich kooperativ.""Nur vereinzelt Unklarheiten beim Start"

Anfang des Jahres nahm die Arbeitsgemeinschaft aus Agentur für Arbeit und Landkreis (Arge) ihre Arbeit auf. Im Zuge von Hartz IV zahlt sie nun das Arbeitslosengeld II, Sozialgeld sowie die Unterstützung für die Unterkunft aus. Für alle Erwerbslosen im Kreis, die mehr als drei Stunden täglich arbeiten können, ist die Arge nun Ansprechpartner. Standort der Arge ist neben Wittlich auch Bernkastel-Kues mit den Außenstellen Traben-Trarbach und Morbach. Zum Start der Arbeitsgemeinschaft sagt Geschäftsführer Hans-Georg Simon (ehemals Leiter der Abfallwirtschaft der Kreisverwaltung): "Es lief besser als befürchtet." Tumulte habe es keine gegeben. Unklarheiten traten nur vereinzelt, beispielsweise bei der Unterstützung von einigen Obdachlosen, auf. Nachdem diese Menschen ein paar Mal zwischen Arge und Verbandsgemeinde hin- und hergeschickt worden seien, habe er schließlich angeordnet, ihnen das Sozialgeld für einen Monat zu zahlen. Noch scheint sich die Arge im Zweifelsfall eher großzügig zu geben. Simon: "Ich gebe zu, dass wir zurzeit eher oberflächlich prüfen, ob jemand erwerbsfähig ist. Der erste Schritt war: Die Leute sollen ihr Geld bekommen, damit sie versorgt sind." Im zweiten Schritt werde in puncto Erwerbsfähigkeit intensiver geprüft. Doch räumt Simon auch ein, dass es mit der Devise "fordern und fördern" - zumindest was den zweiten Teil angeht - noch nicht so weit her sei. Fordern - das ginge theoretisch schon. Im neuen Gesetz sei klar geregelt, dass Leistungen gekürzt werden könnten, wenn jemand einen Ein-Euro-Job oder ein Gespräch ablehne. "Mit dem Fördern, das ist schon etwas schwieriger", sagt Simon. Noch seien die Arbeitsvermittler damit beschäftigt, alle Arbeitsfähigen kennen zu lernen und ihre Daten zu erfassen. Das soll bis Ende März abgeschlossen sein. Dann könne man sich um Trainingsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs und ähnliches kümmern. Doch wenn es so weiter geht, haben die Arbeitsvermittler noch einige Daten zu erfassen, denn in den ersten Wochen des Jahres gab es eine große Zahl von Neuanträgen. Bis zum 4. Februar waren es rund 420. Damit lag die Zahl der so genannten Bedarfsgemeinschaften im Kreis bei 2300, ursprünglich erwartet worden waren jedoch 1700. Die anvisierten Betreuungsverhältnisse von 1:75 bei Jugendlichen und 1:140 bei Erwachsenen sind so nicht mehr einzuhalten. Mögliche Folge: schlechtere Vermittlungserfolge. Das wäre genau das, was die Kritiker, die gerne gesehen hätten, dass Kreis und Kommunen die Arbeit der Arge allein übernehmen, der Arbeitsgemeinschaft prophezeiten. Die kommunalen Sozialämter, die ihre Leute gut gekannt hätten, hätten gute Vermittlungserfolge erzielt, hieß es. DerTV fragte nach. Beispiel Morbach: Dort wurde im Sozialamt die Zahl der Sozialhilfeempfänger in den vergangenen zwei Jahren um zwei Drittel auf 31 Fälle zurückgeführt. Warum die Zahl der Antragsteller so stark gestiegen ist, darüber kann Geschäftsführer Simon nur spekulieren: "Ein Grund ist sicherlich, dass die Hemmschwelle, zu uns zu kommen, niedriger ist als beim Sozialamt." Der 16 Seiten lange Erstantrag, der umfangreicher als beim Sozialamt ist, scheint die Leute nicht abzuschrecken. Simon: "Eine Kollegin hilft dabei, und die macht das sehr gründlich."

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