Mehr Gästebetten als Einwohner

KRÖV. Wein und Tourismus: In kaum einem anderen Ort an der Mosel spielen diese beiden Faktoren eine so wichtige Rolle wie in Kröv. In der Gemeinde gibt es noch mehr Winzer als andernorts, und auch die Zahl der Gästebetten ist – bezogen auf die Einwohnerzahl – rekordverdächtig.

"Sie kommen aus Kröv? Den Namen hab' ich schon mal gehört. Warten Sie, ja, jetzt weiß ich's: Das ist doch der Ort mit dem Nacktarsch." So geht es Einheimischen oft, wenn sie im Süden, Norden oder Osten der Republik unterwegs sind. Die Weinlage "Kröver Nacktarsch" ist ein Begriff, ein unbezahlbarer Werbeträger für den Ort an der Mittelmosel, ein Synonym für Feierlaune, für uriges Brauchtum, für fröhliche Menschen. Als man sich vor zwei Jahren im Dorf darüber stritt, ob der Name "Nacktarschhalle" passend sei, berichteten Medien von RTL bis zur Bild-Zeitung über den skurrilen Namensstreit. Im Nachhinein ein Glücksfall für Kröv, denn mehrere Tage lang machten der Ort und sein berühmter Wein Schlagzeilen.13 Straußwirtschaften, 30 Hotels und Gaststätten

Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die überwiegende Mehrheit der 2500 Einwohner (davon 180 Köveniger) vom Wein oder vom Tourismus lebt. Kröv ist noch eine echte Weinbau- und Fremdenverkehrsgemeinde. Rund 70 Familien leben ausschließlich vom Weinbau, hinzu kommen rund 100 Nebenerwerbswinzer. Die meisten wiederum haben Gästezimmer oder Ferienwohnungen. 13 Straußwirtschaften sind gemeldet, und bei der Verbandsgemeinde sind 30 konzessionierte Hotels beziehungsweise Gaststätten registriert. Kein Wunder, dass Kröv mit die meisten Gästeübernachtungen an der ganzen Mosel hat. Inklusive des holländischen Feriendorfs auf dem Mont Royal betrug die Zahl der Übernachtungen in den vergangenen Jahren im Schnitt 400 000 pro Jahr. Die Zahl der Gästebetten übersteigt die der Einwohner. Geschäfte und Läden profitieren davon und können daher in Kröv gut existieren. Drei Bäckereien, eine Apotheke, zwei Arztpraxen, zwei Banken, Supermarkt, Drogerie, Schreibwarengeschäft, Blumenladen und sogar ein Reisebüro gehören zu der intakten dörflichen Infrastruktur. Hinzu kommen im gewerblichen Bereich ein Bauunternehmen, drei Autowerkstätten, zwei Tankstellen und zwei Schreinereien. Für den Tourismus tut man in Kröv einiges. Vor allem die zahlreichen Feste, die meisten ausgerichtet von den überaus rührigen Vereinen, bieten den Gästen Kurzweil und Unterhaltung. Drei haben überregionale Bekanntheit erlangt: Der Mitternachtslauf an Pfingsten, das Internationale Trachtentreffen Anfang Juli und die Riesenparty des Kröver Jugendclubs am 23. Dezember. Von August bis Ende Oktober ist jedes Wochenende was los. An diesem Wochenende feiert die Sebastianus Schützenbruderschaft ihr Wein- und Schützenfest (siehe auch Meldung auf Seite 14); weiter geht's im Wochentakt mit dem Weinlesefest, der St. Michaels-Weinkirmes in Kövenig, der St. Remigius-Kirmes, dem Federweißenfest und dem Kröver Nacktarschfest. Seitdem die Kröver ihre neue, moderne Halle haben - sie heißt nun offiziell "Weinbrunnenhalle Kröver Nacktarsch" - sind die Feste noch beliebter. Große Investitionen wurden in den vergangenen Jahren in Kröv getätigt: Neben dem Bau der 4,1 Millionen Euro teuren Weinbrunnenhalle, für die die Gemeinde 1,3 Millionen Euro aufbringen musste, wurde ein neuer Kindergarten gebaut sowie das Altenheim erneuert, und die Jugend hat nun endlich eigene Räume. Die Gemeinde hat ferner ein eigenes beheiztes Freibad, das aber dringend saniert werden muss. Der Preis für die vielen Investitionen ist aber hoch: Kröv ist hoch verschuldet. Zum 30. Juni 2005 betrug die Schuldenlast 3,157 Millionen Euro, ein Betrag, der nachdenklich stimmen muss. Zweites Flurbereinigungsverfahren

"Aber wir haben auch etwas dafür", heißt es in Kröv, und VG-Chef Otto Maria Bastgen meint: "Im Osten wird alles neu gebaut und saniert. Sollen wir unsere Infrastruktur etwa verkommen lassen?" In den kommenden Jahren will Kröv ein zweites Flurbereinigungsverfahren anpacken - aus Gründen des Landschaftsbildes und einer noch besseren Mechanisierung der Weinberge. Kröv hat nämlich wie viele andere Weinbauorte Weinbergsflächen verloren. Heute werden noch etwa 250 Hektar bewirtschaftet, das sind rund 100 weniger als noch Anfang der 1970er Jahre. Kröv will auch das bestehende Baugebiet "Germesacker" um gut drei Hektar erweitern, um Bauwilligen Land zur Verfügung stellen zu können. 30 Bauplätze sollen dort entstehen. Liebe Kröver, wie könnte Ihr Heimatort im Jahr 2020 aussehen? Bitte senden Sie uns Ihre Visionen zur Zukunft des Orts möglichst kurz gefasst bis Dienstag, 20. September, per E-Mail an w.simon@volksfreund.de, per Fax an 06541/839229 oder per Brief an Trierischer Volksfreund, Brückenstraße 21, 56841 Traben-Trarbach.

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