Mit Magerquark und gelöschtem Kalk

BENGEL. Seit drei Jahren läuft die alte Ölmühle in Springiersbach wieder. Einer ihrer größten Fans, Bürgermeister Walter Debald, führte den ganzen Tag lang Besucher durch das bis ins Detail originalgetreu wieder hergerichtete Gebäude.

Die Liebe zur alten Ölmühle begleitet Walter Debald schon seit vielen Jahren. So wundert es kaum, dass er die meisten Fragen seiner Besucher ohne Probleme beantworten kann. Und Fragen hatten sie viele am Tag des offenen Denkmals: Wer den Rohstoff gebracht habe, wie die Riemen zwischen den gewaltigen Antriebsrädern angebracht werden, und wie viele Liter kostbaren Öls am Ende ein Sack Traubenkerne oder Bucheckern erbracht hat. Auf alles hat Debald eine Antwort - nur eines weiß er nicht: Wie schwer denn das Mühlrad wohl ist. "Aber das dürfte auch fast das Einzige sein, was ich hier nicht beantworten kann", sagte er augenzwinkernd. Zur Feier des Tages wurde wie anno dazumal Raps aus der Eifel verarbeitet, der einen köstlichen Duft in der Mühle verbreitete. Großes Fachwissen und eine unübersehbare Leidenschaft zeichnete die Führung des Gemeindechefs aus. Und reichlich Humor, denn ob die gute alte Zeit wirklich immer so gut gewesen ist, das ließ Debald absichtlich offen. Beschwerlich war das Leben allemal. Nicht mit dem dicken Mercedes seien die Bauern und Winzer vorgefahren, um ihre Säcke von Traubenkernen, Walnüssen, Bucheckern oder Raps zum Mahlen abzugeben. Bis von Koblenz her seien sie gekommen, mit Pferdefuhrwerken - im besten Fall. Wer in der Nähe wohnte, und dieser Begriff ist relativ, kam ohnehin zu Fuß: Früher seien die Menschen nicht so zimperlich gewesen, was Entfernung, Witterung und das Gewicht auf den Schultern anging. Debald las aus dem noch erhaltenen Mühlenbuch vor, in dem der Müller akribisch notiert hatte, wer welche Menge Rohstoff gebracht und wie viele Liter Öl wieder abgeholt hatte. Die Ausbeute war teilweise geringer als vermutet. So schätzt Debald den Ölertrag aus einem Sack Traubenkerne auf zwei, höchstens drei Liter. Das Öl war noch kostbar, und weder einen groß angelegten Import aus den Mittelmeerländern noch eine industrielle Verarbeitung gab es zu Zeiten der Springiersbacher Ölmühle. Von der Moderne eingeholt wurde sie erst im Jahre 1962, als der damalige Besitzer Nikolaus Schlöder beschloss, sein Geld nur noch mit dem Handel von Holz aus dem nahen Kondelwald zu verdienen. Aus diesem Material - Buche oder Eiche - bestehen auch die einzelnen Zähne der riesigen Räder, die die Wasserkraft aus dem an der Mühle vorbeirauschenden Mühlengraben bis zum Mühlstein übertragen. Dies sorgt dafür, dass trotz Inbetriebnahme der kompletten Mechanik bei jeder einzelnen Führung kein Lärm entstand: Niemand musste in der Mühle seine Stimme erheben. Der Innenanstrich des Gebäudes besteht aus einer geheim gehaltenen Rezeptur, die auch extreme Witterungsschwankungen aushält. Magerquark und gelöschter Kalk gehörten dazu, soviel verriet Debald, der so sehr in seinem Element war, dass er darüber völlig die Zeit vergaß. So bot er seinen wissbegierigen Gästen, die - ähnlich wie der frühere Rohstoff für das geschätzte Öl - teilweise von weither kamen, eine äußerst angenehme Reise in das Innenleben dieser Mühle, in die in den vergangenen Jahren insgesamt 80 000 Euro und eine ungeschätzte Zahl von freiwilligen Arbeitsstunden gesteckt worden sind.

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