Mit "Zigga" und einem Glas Wein

NEUMAGEN-DHRON. Geboren zu Kaisers Zeiten hat Mathias Stadtfeld unruhige Zeiten und vor allem zwei Kriege miterlebt. Seinem Geburtsort Dhron und seinen geliebten Weinbergen kehrte er trotz der Wirren dieser Zeit nur zweimal den Rücken.

Ein fester Händedruck, ein verschmitztes Lächeln - nein, ansehen kann man dem Geburtstagskind wirklich nicht, welchen Ehrentag es heute begeht. Dabei ist es heute sein 100. Geburtstag - und Mathias Stadtfeld feiert ihn mit wachem Verstand und in recht guter körperlicher Verfassung. Das Sprechen macht dem Jubilar seit einem Schlaganfall Mühe. Und auch das Gehen fällt "Mattes", wie ihn die Dhroner nennen, nicht mehr so leicht wie noch vor zehn Jahren. "Mit 90 ging er noch in den Weinberg", erinnert sich Schwiegertochter Marianne. "Sogar mit 92 noch", lacht Sohn Fritz, in dessen Haus sein Vater lebt. Dort war das Geburtstagskind am 3. September 1903 auch geboren worden - ebenso wie seine Vorfahren der vergangenen 150 Jahre. Zu "Mattes" Kindheit und Jugendzeit war vieles anders in Dhron als heute. So beschränkte sich die hauseigene Wasserversorgung auf den gemauerten Ziehbrunnen vor der Haustür - "de Petz" genannt. Denn Wasserleitungen wurden erst 1929 im Dorf verlegt. So mühselig das Leben einerseits war, Gedanken oder gar Sorgen über seinen späteren Broterwerb musste sich der junge Mann keine machen. "Das war ein gewiesener Weg", erklärt der Senior zu der von vorneherein fest stehenden Arbeit im Weinbau. Der Tourismus hatte damals im Dorf noch nicht Fuß gefasst, und für die Winzer war das Reisen zu jener Zeit kein Thema. Seine erste und einzige Vergnügungsreise hatte "Mattes" Mitte der 30er Jahre einer Verordnung zu verdanken, nach der das Finanzamt Hand an die Guthaben der Vereinskassen legen wollte. Daher machte sich Stadtfeld zusammen mit seinen Sängerfreunden auf den Weg zum Rhein, wo sich die braven Winzer nicht genierten, ihr sauer Erspartes zu verjubeln. Die andere Reise, die "Mattes" unternahm, war zu einer ganz anderen Zeit. Um seinen Bruder aus der Gefangenschaft heim zu holen, war der Dhroner 1945 eine Woche lang bis an die Nordsee unterwegs - zu Fuß, per Bahn und per Anhalter. Ihm selbst war der Kriegseinsatz erspart geblieben, weil er im Alter von 14 Jahren einen Blindgänger gefunden und damit gespielt hatte. Dabei verlor er das rechte Auge sowie die drei mittleren Finger der linken Hand. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, als 21-Jähriger die Dhroner Feuerwehr mit zu gründen. Von den damals Beteiligten ist "Mattes" als einziger noch am Leben. Seit 15 Jahren verwitwet

Ein Hobby, dem er bis ins hohe Alter frönte, war das sonntägliche Skatspiel, wozu es ihn noch mit über 90 regelmäßig zog. Ehefrau Gertrud, die selbst fast 86 Jahre wurde, war damals bereits verstorben. Seit 15 Jahren ist ihr Mann bereits verwitwet. Klagen sind von "Mattes" dennoch keine zu hören. Im Gegenteil: Denkt er an die Gebrechlichkeiten anderer, kommt er zu dem Schluss: "Da muss ich noch zufrieden sein", und setzt ein verschmitztes Lächeln auf. Zu der Feier am heutigen Mittwoch werden in Dhron sämtliche Verwandte zusammen kommen. Allen voran neben Sohn Fritz und Schwiegertochter Marianne die vier Töchter samt Schwiegersöhnen sowie 17 Enkel und 16 Urenkel. Worauf sich der vielfache Groß- und Urgroßvater schon lange freut. Und trotz des Trubels wird der Jubilar auf zwei Dinge heute mit Sicherheit nicht verzichten: Seine geliebte "Zigga" (Zigarre) und ein Gläschen Wein.

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