Mit allem Hausrat durch die ganze Welt

TRABEN-TRARBACH. (GKB) Seit 34 Jahren sitzt "Charlie Bravo" auf dem Drahtesel und hat schon fast die ganze Welt gesehen. Seinen Hausrat zieht er im Anhänger hinter sich her, in der 60 Kilo schweren Holzkiste ist sein Hab und Gut. Jetzt machte er Zwischenstation in Traben-Trarbach – mit der Hoffnung auf einen kleinen Job oder eine Spende zum Kauf von Ersatzteilen für das Fahrrad.

Der 52-jährige bärtige Mann steht bescheiden neben seinem Gefährt in der Brückenstraße und erregt dennoch Aufsehen und Neugier. Im Vorbeigehen werfen viele einen Blick auf seine Schilder, die die Länder zeigen, die er schon bereist hat und auf denen der Weltenbummler um einen Tages- oder Wochenjob oder um eine Spende bittet. Er freut sich, als eine Bürgerin ihm ein Frikadellenbrötchen bringt, und dann erzählt er aus seinem bewegten Leben. In Würzburg wurde er geboren, seinen bürgerlichen Namen hat er abgelegt und nennt sich jetzt Charlie Bravo. Einst ging er einer geregelten Arbeit nach, "ich bin der einzige nicht sesshafte deutsche Landfahrer, der sogar in die Rentenkasse eingezahlt hat", ist Charlie überzeugt. Der Vater war ihm ein schlechtes Vorbild, "er hat getrunken und meine Mutter geschlagen". Irgendwann reichte es dem jungen Mann, "macht Ihr, was Ihr wollt, ich gehe meinen Weg", sagte er und schwang sich aufs Fahrrad. Seine Habseligkeiten stecken in einer großen Holzkiste; säuberlich verpackt hat alles seinen festen Platz. "Wenn's dunkel ist, muss man wissen, wo die Sachen liegen", klärt er die Sesshafte auf. Ein Zelt ist sein Haus, eine dicke Isomatte und ein dicker Schlafsack sowie zwei Wolldecken sind sein Bett. "Das ist die Küche", sagt Charlie und zeigt auf einen Behälter, in dem alle fürs Kochen erforderlichen Utensilien sind. Mit einem kleinen Fernseher informiert er sich über das Wetter, das Funkgerät braucht er, wenn in im hohen Norden unterwegs ist, Waschzeug und Kleidung ist in Plastikbeuteln verpackt. Winterstiefel, Regensachen und zwei Werkzeugkästen gehören noch zur Ausrüstung, und die Sesshafte kommt ins Grübeln. Welche Freiheit hat dieser Mann, kein Haus mit 1000 nützlichen und überflüssigen Sachen, heute ist er hier, morgen dort, die ganze Welt steht ihm offen. Doch Charlie Bravo mahnt: "Machen Sie's nicht". Nur acht Frauen kennt er, die ein solches Leben führen, und das ist nicht ungefährlich. Allein in Deutschland ist er 18 mal ausgeraubt worden und Ärger gibt's auch gelegentlich mit der Polizei. "Sie müssen da weg", bekommt er dann zu hören, wenn er irgendwo mit seinem Fahrrad oder dem Zelt steht. "In ein bis zwei Jahren könnte ich ins Guiness-Buch der Rekorde kommen, dann habe ich 125 mal den Globus umrundet", erzählt der 52-jährige zu seiner Kilometerleistung. Ganz Europa hat er bereist, war in Russland und ist bis in den fernsten Osten gestrampelt. Hier und da nimmt er Jobs an, "es gibt keine schwere Arbeit", sagt der bärtige Mann. 25 000 Landfahrer gebe es weltweit, berichtet er, oft treffe man sich unterwegs, und Charlie legt Wert auf die Feststellung, dass er und seine Kumpels keine Trinker oder Kriminellen sind. Seine Papiere sind wohlgeordnet, und er zeigt sein polizeiliches Führungszeugnis, das keine Einträge vermerkt. Sesshaft werden möchte er jedoch nicht mehr, "wenn man mich in ein Gebäude steckte, kriegte ich physische und psychische Probleme", sagt Charlie, der nächste Woche 53 wird. Angst vor der Zukunft oder dem Alter hat er nicht. Nur einmal zog er sich eine schwere Daumenverletzung zu, "die habe ich selbst behandelt". So wird er weiter durch die Welt radeln - "erst mal Richtung Dänemark" - und nicht im Bett sterben, dessen ist er sich sicher. "Eher erschießt man mich".

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