Mit dem Helden groß geworden

GIPPERATH. Idyllisch und ruhig lebt Sigrid Thetard auf dem Land, versorgt vier Söhne, einen Ehemann und eine Katze. In ihrer Freizeit lässt sie aber nicht etwa im sommerlich blühenden Garten die Seele baumeln, sie taucht ab ins düstere Mittelalter.

Die Idylle täuscht: Sigrid Thetard liebt das finstere Mittelalter, ist fasziniert von den unerklärlichen, übersinnlichen Dingen des Lebens, und ihre Fantasie lässt die 39-Jährige am liebsten zwischen Zeit und Raum spazieren gehen. Zwischen Mutter- und Hausfrauenpflichten hat Sigrid Thetard ihren ersten Roman geschrieben, der jetzt veröffentlicht wird. Bücher waren schon immer ihre Leidenschaft. Schon als kleines Mädchen hat sich Sigrid Thetard für ihre jüngere Schwester kleine Geschichten ausgedacht, aufgeschrieben und aus den Blättern hübsche Büchlein gebastelt. Aus dem umfangreichen Manuskript, das jetzt vor ihr auf dem Gartentisch liegt, wurde sehr viel mehr: ein ausgewachsener Roman mit 634 Seiten. "Die Zeit des Falken" heißt das erstveröffentlichte Buch von Sigrid Thetard, das jetzt im Verlag Buding & Tebbert in Münster erscheint. Die Geschichte rankt sich um einen Mann, der im Jahr vor dem Millennium in eine Hamburger Klinik gebracht wird. Mit seiner Behauptung, aus dem 16. Jahrhundert zu kommen, stößt er natürlich auf Unverständnis und Spott. Doch nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus interessieren sich plötzlich einige Menschen für den geheimnisvollen Unbekannten, der mittlerweile als "der Falke" von sich reden macht: eine vermeintliche Ehefrau, ein Regierungsbeamter aus der Schweiz, der Führer einer Sekte. Der Mann aus der anderen Zeit hat übersinnliche Kräfte und einen Feind, der ihn seiner Fähigkeit berauben will. Die Abenteuer bringen die Romanhelden über England bis nach Südamerika, wo die spannende Geschichte der Zeitreise über das Thema Machtmissbrauch ein überraschendes Ende findet. Zwei Jahre hat Sigrid Thetard gebraucht, ihre fantasievollen Ideen in einem kompakten Roman unterzubringen. Doch eigentlich hat die Geschichte des "Falken" sie fast ihr ganzes Leben begleitet. "Mit zwölf habe ich mir diesen Mann ausgedacht und den Verlauf seines Lebens aufgeschrieben. Er ist sozusagen mit mir groß geworden", lacht die Autorin. Andere Teenager schreiben heimlich Tagebuch. Die kleine Sigrid fand es dagegen viel spannender - ebenso heimlich - die Erlebnisse einer fiktiven Figur zu erzählen. Damals dachte sie nicht im Traum ("oder vielleicht nur im Traum") daran, ihre Geschichten zu veröffentlichen. Doch als sie sich später als viel beschäftigte Hausfrau, Mutter und Bäckereiverkäuferin zum Ausgleich an den PC setzte, wurde ein Roman aus den einzelnen Geschichten.Buchpräsentation am Freitag im Gemeindesaal

Und dann wollte sie es wissen: "Was halten Fachleute von meiner Arbeit? Ich konnte mich selbst gar nicht einschätzen." Ohne große Erwartungen schickte sie das Manuskript an verschiedene Verlage und war um so überraschter, dass ihr Roman bei einem Verlag auf ernsthaftes Interesse stieß. Etwas verlegen meint sie: "Ich gebe ja zu, dass ich einen Freudentanz aufgeführt habe, als ich den Vertrag bekam." Mittlerweile zeigt auch ihr Mann, wie stolz er auf seine schriftstellernde Frau ist: "Er hat mich immer etwas gebremst, damit ich nicht enttäuscht würde", meint Sigrid Thetard verständnisvoll. Ihre vier Jungs im Alter zwischen sieben und zwölf sind bislang wenig beeindruckt von den Fähigkeiten ihrer Mutter. Und sie selbst bleibt mit den Füßen auf dem Boden: "Ich bilde mir nicht ein, dass ich einen Bestseller geschrieben habe. Mein Leben geht ganz normal weiter." Dennoch: Die Tatsache, dass der Erstlingsroman einen Verleger gefunden hat, ermutigt die Autorin aus der Eifel zu einem neuen Roman: "Eine ganz andere Geschichte. Ich schreibe, um zu schreiben, egal was kommt." Sigrid Thetard stellt "Die Zeit des Falken" am Freitag, 30. Juli, 20 Uhr, im Gemeindesaal Gipperath vor.

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