Mit gutem Beispiel voran

BERNKASTEL-WITTLICH. (vej) Zu viele Pfunde auf der Waage: Das ist auch für Kinder längst zum Problem geworden. Ärzte und Sportwissenschaftler warnen vor zunehmender Unbeweglichkeit und Übergewicht schon bei den Kleinsten.

Kinder und Übergewicht? Das schien immer ein Widerspruch in sich zu sein. Denn Kinder sind immer in Bewegung und können scheinbar gar nicht "normal" gehen, sondern müssen immer rennen. Doch die Lebensumstände vieler Kinder haben sich verändert. Gehörten früher draußen spielen, einen Freund zu Fuß abholen, Fußball spielen und Seilspringen noch zur normalen Kindheit, so stehen heute Fernsehen, Computer- und Videospiele häufig an erster Stelle. Mangelnde Bewegung und falsche Ernährung führen zu Übergewicht, Bewegungs- und Motorikstörungen sowie zu Koordinationsschwächen. "Manche Kinder können keinen Purzelbaum mehr schlagen", sagt Sportlehrer Christoph Klein vom Wittlicher Turnverein (WTV). Häufige Folgen: Haltungs- und Wirbelsäulenschäden, Gelenkprobleme, aber auch Diabetes. Das bestätigen Kinderärzte und Krankengymnasten. Immer mehr Kinder mit motorischen Störungen

Doch ein Kind kommt nicht träge zur Welt. So belegen Fachzeitschriften, dass ein durchschnittlich trainierter Zehnkämpfer es nur etwa vier Stunden schafft, mit dem "Gehopse und Gezappel" eines normal entwickelten Vierjährigen mitzuhalten. "Der Bewegungsdrang bei Kindern ist eine fundamentale Funktion, die gefördert werden muss", sagt auch der Wittlicher Physiotherapeut Peter Engel. Um das Grundbedürfnis ausleben zu können, gibt es bereits Angebote für die Jüngsten. So wird im WTV Eltern-Kind-Turnen für Kinder ab zwei Jahren angeboten. "Dort werden mit spielerischen Übungen Koordination und Motorik geschult", erklärt Christoph Klein vom WTV. Dennoch liegen immer mehr Kinder mit ihrem Body-Maß-Index (BMI) über dem Grenzwert. Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körpergröße. Das bestätigen auch die Wittlicher Kinderärzte Dr. Roman Krier und Dr. Wolfgang Vöhl. Sie behandeln immer häufiger Kinder und Jugendliche mit motorischen Störungen und Übergewicht. Die Mediziner raten dazu, die Kleinen schon früh an Sport, Bewegung und gesunde Ernährung heranzuführen. "Wenn sie damit aufwachsen, ist es für sie völlig normal, beispielsweise mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. Dann werden sie erst gar nicht dick", sagen die Ärzte. Das Problem ist mittlerweile auch zum Thema in Schulen, Kindergärten und auch in der Politik geworden. So machte Verbraucherschutzministerin Renate Künast schon vor drei Jahren auf den dicker werdenden Nachwuchs aufmerksam. Aber auch Projekte wie die "Bewegten Schulen", bei denen die Schüler täglich eine Stunde Sport treiben, werden immer mehr. "Doch alle Bemühungen haben keinen Sinn, wenn die Eltern nicht motiviert dahinter stehen", bedauern alle vom TV befragten Experten unisono. Die Eltern übertragen häufig ihre falschen Gewohnheiten auf ihre Kinder. Auch die Bequemlichkeit bei der Erziehung fördert das Problem. Denn oft wird der Keks zum Beruhigungsmittel, und Geburtstagsfeiern werden mittlerweile von Fast-Food-Restaurants organisiert. Viele Vorschläge, den Sportunterricht durch Sportarten wie Inline-Skaten, Aerobic und Klettern etwas abwechslungsreicher zu gestalten, sind bisher gescheitert. Physiotherapeut Peter Engel erzählt von einer Schule, bei der sich Eltern beschwert hätten, dass ihre zwölfjährigen Kinder einen 800-Meter-Lauf absolvieren sollten. Auch er kann nur betonen, wie wichtig es ist, Kinder schon früh für Bewegung zu begeistern. Denn "wenn sie erst einmal pummelig und träge geworden sind, ist es sehr schwer, sie noch für Obst und Sport zu motivieren", erklären die befragten Ärzte. Zwang bringt nichts, besser den Alltag umstellen

Die übergewichtigen Kinder kommen in einen Teufelskreis. Sie werden gehänselt und machen keinen Sport, da sie glauben, nicht mithalten zu können. Das führt dazu, dass sie sich als Außenseiter fühlen und aus Frust noch mehr essen. Deshalb habe es auch wenig Sinn, die runden Kleinen zu anstrengenden Sportaktivitäten zu zwingen. Dr. Vöhl und Dr. Krier raten, besser den gesamten Alltag umzustellen, so dass die Kinder mehr zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren. Wichtig sei, dass die Eltern hinter ihren Kindern stehen und sie für die alltägliche Bewegung motivieren. Das bestätigen die vom TV befragten und Experten.

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