Möglichst viel Selbstständigkeit

WITTLICH. (ald) Wohin kann man sich wenden, wenn man das Gefühl hat, seinen Alltag nicht mehr bewältigen zu können? Oder wenn die alte Nachbarin immer vergesslicher wird und verwahrlost? Antworten auf solche Fragen bietet der sozialpsychiatrische Dienst.

"Sozialpsychiatrischer Dienst" - das klingt nach sperrigem Behördendeutsch. Dahinter verbirgt sich aber eine lebensnahe Hilfe für Menschen, die ihren Alltag nicht mehr komplett selbst bewältigen können. Das Beratungsangebot des Landkreises ist kostenlos und unterliegt der Schweigepflicht. Ursache können Altersdemenz, psychische Erkrankungen, aber auch Alkoholmissbrauch sein. "Das Prinzip ist, dass wir die Hilfen nicht selber erbringen, sondern organisieren und vermitteln", erläutert Dr. Günter Beyer, der Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes. Dazu wird mit den Betroffenen ein so genannter Hilfeplan erstellt, in dem Ziel, Ausgangssituation und mögliche Hilfen festgehalten werden. Das können zum Beispiel eine Therapie oder eine Form des betreuten Wohnens sein. Nach einiger Zeit wird dann gemeinsam die bisherige Entwicklung überprüft und ein neuer Plan aufgestellt. Damit das überhaupt möglich wird, muss natürlich zuerst ein Kontakt zwischen sozialpsychiatrischem Dienst und Betroffenem hergestellt werden. "Bei uns rufen oft Verwandte an oder Nachbarn", sagt Sandra Junk, die als Sozialarbeiterin für den Dienst tätig ist. "Die Leute kommen auch selber, aber manchmal sind sie gar nicht mehr dazu in der Lage", erklärt sie. Außerdem gebe es Unsicherheiten: "Die Leute wissen manchmal nicht genau: Was beraten die, wo sitzen die?" Mundpropaganda sei weiterhin wichtig. Oft würden sich Bekannte von betreuten Personen melden, die durch diese von dem Angebot erfahren hätten, so Junk. Die Menschen seien meist sehr offen, es komme selten vor, dass Hilfe völlig abgelehnt werde, berichtet sie weiter. Sei dies der Fall, werde das auch akzeptiert. Eine zu Beginn gegenüber "dem Amt" existierende Skepsis schwinde allerdings meist schnell, da das Angebot komplett auf freiwilliger Basis bestehe. Denn: Wenn man sich an den sozialpsychiatrischen Dienst wendet, wird kein behördlicher Automatismus in Gang gesetzt. "Viele Menschen kommen nur ein, zwei Mal her, weil sie Fragen haben", erzählt Junk. Sie betont zudem den lebensnahen, praktischen Charakter des Angebots: Es sei nicht nur auf Therapie ausgelegt, sondern auf die individuellen Probleme zugeschnitten. Da könne es auch mal darum gehen, mit Vermietern oder Gläubigern zu verhandeln oder Menschen zum Arbeitsamt zu begleiten. Insgesamt setzt der sozialpsychiatrische Dienst stark auf Selbsthilfe und Selbstbestimmung. Das spiegelt zum Beispiel das Konzept des trägerübergreifenden "persönlichen Budgets" wider. Dabei wird den Betroffenen ein nach Bedürftigkeit gestaffeltes Budget zur Verfügung gestellt, mit dem sie sich selbst Hilfen von verschiedenen Einrichtungen "einkaufen" können, so weit sie den im Hilfeplan festgelegten Zielen entsprechen. Der sozialpsychiatrische Dienst ist Teil des Konzepts "gemeindenahe Psychiatrie", das es seit Ende der 80er Jahre gebe, erzählt Beyer. Vorher seien Menschen mit psychischen Problemen in Landeskrankenhäuser, zum Beispiel Andernach, eingewiesen und aus ihrem bisherigen Umfeld herausgerissen worden. Die gemeindenahe Psychiatrie dagegen setzt auf Hilfen vor Ort, zum Beispiel auf betreutes Wohnen und psychiatrische Abteilungen in lokalen Krankenhäusern. Dadurch soll erreicht werden, dass die Betroffenen ihr Leben so normal wie möglich weiterführen können. Der sozialpsychiatrische Dienst, der kostenpflichtige, der Schweigepflicht unterliegende Beratung anbietet, befindet sich im Gesundheitsamt, Kurfürstenstraße 67, Wittlich. Ansprechpartner ist Günter Beyer, Telefon: 06571/14459, E-Mail: Guenter.Beyer@Bernkastel-Wittlich.de.

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