Moral des Clowns

WITTLICH. (ger) Ausverkauftes Haus bei den "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll: Im Atrium des Cusanus-Gymnasiums verlangte die Inszenierung von und mit Hans J. Ballmann die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums.

Für die 17-jährige Anne und die 16-jährige Julia stand am Ende der Vorstellung fest: "Toll!" Ihre Mitschüler Tobias und Hannah ergänzten: "Das war eine sehr gute schauspielerische Leistung." Für Dennis war die Inszenierung zu langwierig: "Die sich wiederholenden Szenen mit den gestellten Telefonaten gingen mir nach der Zeit ein bisschen auf die Nerven." Andrea (17) fand das Schauspiel an manchen Stellen verwirrend: "Man sollte ein Stück auch verstehen können, wenn man es vorher nicht gelesen hat." Die jungen Schüler des Leistungskurses Deutsch der elften Klasse des Cusanus-Gymnasiums waren ins Atrium gekommen, um die "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll in der Inszenierung von und mit Hans J. Ballmann zu verfolgen. Ihre Kursleiterin, Michaela Schüssler-Schwab, resümierte: "Die schauspielerische Leistung Ballmanns war sehr gut und überzeugend." Jedoch dürfe von modernen Autoren nicht erwartet werden, dass die Zuhörer geleitet werden. "Es wird diskontinuierlich erzählt, damit ein möglichst breites Bild von der Gesellschaftssituation des Jahres 1963 entsteht." Das karge Bühnenbild mit den vielen Telefonapparaten fand die Deutschlehrerin passend: "Mit Hilfe der Telefonate hat Clown Hans Schnier versucht, seine Vergangenheit aufzuarbeiten sowie Unterstützung zu erhalten. Doch immer wieder bemerkt er Eigenschaften wie Karrierestreben, korruptes Denken und Heuchelei im Grundverhalten der Menschen. Gleichzeitig drischt er selber Phrasen und unterscheidet sich dadurch kaum von seinen Mitmenschen." Das Werk kann durchaus auf die nachfolgenden Jahrzehnte und die heutige Zeit übertragen werden. Das Leben des Clowns Hans Schnier ist aus dem Rhythmus geraten. Nach sechs Jahren wilder Ehe hat Marie ihn verlassen. Er, der sich keinerlei gesellschaftlichen Normen beugen will, lässt zwischen Koffern und Telefonen sein Leben vorbeiziehen und gibt Einblicke in seine Gedanken und Ansichten. Im beinahe ausverkauften Atrium verstand es Hans J. Ballmann, in seiner von Heinrich Böll persönlich autorisierten Szenenfolge das Publikum zu bannen. Zumindest im ersten Teil war die ungeteilte Aufmerksamkeit zu spüren. Ohne Mikrofon füllte die akzentuierte Stimme Ballmanns den Raum. Die Lichteffekte, in Szene gesetzt durch seinen Sohn Matthias Ballmann, verbanden sich mit den Monologen und "Dialogen" des Künstlers, dessen schauspielerische Leistung beeindruckte. Die 1985 uraufgeführte Inszenierung stieß jetzt bei dem jugendlichen Publikum auf geteiltes Echo, bei Liebhabern und Kennern moderner Literatur führte sie zu minutenlangem Applaus.

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