Morgenspaziergang mit positiver Nebenwirkung

WITTLICH. Seit vier Jahren trägt Albert Weis nun tagtäglich den Volksfreund aus. Dieser Nebenjob an der frischen Luft ist seinem Geldbeutel ebenso zuträglich wie seiner Gesundheit: Genau zwei Tage ist er seitdem krank gewesen.

Mit "Es war einmal..." beginnen viele Märchen. Auch die Geschichte von TV-Zusteller Albert Weis könnte mit diesen Worten beginnen. Versuchen wir es also: Es war einmal ein Mann von über 100 Kilogramm Lebendgewicht. Da sprach sein Hausarzt zu ihm: "Ich rate dir dringend, etwas für deine Gesundheit zu tun." Auch im Geldbeutel des Mannes wurde es knapp: Kürzlich erst hatten sich zu den zwei immer hungrigen Söhnen zwei weitere gesellt. Da dachte sich der Mann: "Verbinde ich doch das Nützliche mit dem Angenehmen und suche mir einen Job, der mir Bewegung an der frischen Luft verschafft." Was liegt da näher, als Zeitungszusteller des Trierischen Volksfreunds zu werden? Seitdem genießt der kluge Mann tagaus, tagein die Luft, die Ruhe und die Bewegung - und, logisch, das finanzielle Zubrot. Inzwischen ist Albert Weis 48 Jahre alt, hat 45 Kilo abgenommen, und wenn er um 6 Uhr morgens bei der Ideal Standard aufläuft, hat er einen wichtigen Teil des Tages bereits hinter sich. Anders als viele seiner Kollegen ist er munter, sein Blutdruck liegt im Normbereich, und rundum informiert ist er auch. Denn er hat, zwischen Zeitungsaustragen und Standard, beim Frühstück schon den Volksfreund gelesen. Von hinten nach vorne übrigens. "Mit wachsender Begeisterung" trägt er die knapp 150 Zeitungen aus, bekennt der gebürtige Piesporter. Und das, obwohl er um 3 Uhr aufstehen muss, um die täglichen elf Kilometer noch vor Beginn der Frühschicht zu bewältigen. Daran habe er sich schnell gewöhnt. Dass Weis in den vergangenen vier Jahren nur einmal krank war und das genau zwei Tage lang, hat er allerdings einem weiteren Umstand zu verdanken. Er ernährt sich vernünftiger als früher und geht dreimal die Woche ins Fitness-Studio, Lieblingstraining: spinning. Auch danach verlangen Körper und Geist inzwischen von selbst, sagt der äußerst ausgeglichen wirkende vierfache Vater. Und er sagt es lächelnd: Es besteht kein Grund, diese Aussage anzuzweifeln. Noch keine einzige unangenehme Begegnung habe er in den nächtlichen Straßen Wittlichs gehabt. Im Gegenteil: "Eine grenzenlose Ruhe liegt über allem: Was glauben Sie, was einem da für Gedanken kommen?" Das allmorgendliche Austragen gehe längst sozusagen "im Blindflug". In seinem Karree kennt er jeden Briefkasten. Im Winter fährt er die einzelnen Straßenzüge mit dem Auto an, im Sommer sogar mit dem Fahrrad. Das Einzige, was Albert Weis wirklich nicht leiden kann, sind Gewitter. Aber das passiert erstens verdammt selten, und wenn, ist es zweitens auch schon gelöst. Dann setzt er sich ins Auto und liest die Zeitung schon mal ohne seine Tasse Tee, bis Blitz und Donner sich verzogen haben.

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