Moselaner an Stätten des Grauens

ZELL. Seit mehr als sechs Jahren entsendet die UN ständig Polizisten aus aller Welt in die serbische Provinz Kosovo. Der in Zell stationierte Polizeihauptkommissar Bernhard Hoffmann kehrte jetzt nach einem einjährigen Aufenthalt auf dem Balkan nach Hause zurück. Er gehörte einer Spezialeinheit an, welche die Identität von unbekannten Toten zu klären hatte.

Die Exhumierung von Gräbern im Kosovo fand Hauptkommissar Bernhard Hoffmann besonders belastend. Der Polizeibeamte aus Zell hat als Mitglied einer Spezialeinheit in dem ehemaligen Bürgerkriegsland mehr als 40 Exhumierungen miterlebt, wovon die Mehrzahl der Ausgrabungen unter seiner Leitung standen. Besonders schlimm war die Entdeckung eines Massengrabes in einer Höhle in der Region Klina. "Im Laufe meiner 25 Dienstjahre habe ich schon viel erlebt, doch dieser Anblick ging mir unter die Haut", gesteht das Oberhaupt einer fünfköpfigen Familie. Seit dem ethnischen Krieg in den Jahren 1998/99 werden im Kosovo immer noch mehrere tausend Menschen vermisst. Viele dieser Toten wurden nach dem Ende des Krieges einfach auf Friedhöfen vergraben oder in Massengräbern verscharrt. Die UN hatte eigens eine Spezialeinheit gebildet, welche die Identität der Toten und Vermissten klären sollte. Die Einheit von Hoffmann setzte sich aus Polizisten mehrerer Nationen zusammen sowie einheimischen Arbeitern und Anthropologen. Erst nach Jahren gelang es den Beamten, die Stätten des Grauens zu finden. Mit Unterstützung der dort stationierten KFOR-Soldaten wurden die Höhle und das angrenzende Gelände zunächst auf mögliche Sprengfallen überprüft und anschließend ausgeleuchtet. "Es war ein Bild des Grauens. Auf dem Höhlenboden lagen die sterblichen Überreste von mehreren Menschen", schildert Hoffmann seine Eindrücke. Nach einer sehr belastenden dreiwöchigen Tatortarbeit wurden schließlich 23 Männer exhumiert. Anhand von aufgefundenen Identitätspapieren und anschließender DNA-Analyse konnten die Namen der Opfer ermittelt werden. Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, reisten die Angehörigen zu der Fundstätte und nahmen in einer ergreifenden Trauerfeier Abschied von ihren Angehörigen, beschreibt der Zeller Polizist das Erlebte. Im Rahmen seiner weiteren Tätigkeit musste der Beamte auch die abgelegensten Teile des Kosovo aufsuchen, um Leichen auszugraben. Besonders schwierig erwies sich die Arbeit in unwegsamen Bergregionen, die gerade im grenznahen Raum stark vermint sind. "Obwohl die KFOR-Soldaten die Fundorte vor Beginn der Arbeiten gründlich absuchen, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Es ist sogar vorgekommen, dass die vergrabenen Leichen mit Sprengfallen präpariert waren, um die Ermittlungsarbeit zu verhindern", berichtet Hoffmann. Zur weiteren Untersuchung werden die aufgefundenen Leichen danach der Gerichtsmedizin des Kosovo übergeben. Viele hundert Leichen liegen dort wochenlang in Kühlcontainern. "Im Sommer schlägt einem dort ein beißender Geruch entgegen, den man teilweise den ganzen Tag noch in der Nase hat", so der Polizist. Neben der schwierigen und belastenden Arbeit sind die eingesetzten Kräfte zudem der Gefahr eines Anschlages ausgesetzt. Auch der Alltag gestaltet sich äußert schwierig. Stromausfälle sind an der Tagesordnung, und die starke Luftverschmutzung vor allem in den Wintermonaten setzte den Beamten zusätzlich zu. Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, werden die rheinland-pfälzischen Polizisten intensiv auf ihren Auslandseinsatz vorbereitet. "Die physischen und psychischen Belastungen sind schon enorm. Ich habe es dennoch nicht bereut, diese Erfahrung gemacht zu haben. Während meiner Heimaturlaube konnte ich stets neue Kraft tanken", sagt Hoffmann.

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