Nach drei Tagen Amtszeit gestürzt

WITTLICH. Seit gestern 11.11 Uhr ist Wittlich in Möhnenhand. Albert Klein, 1. Beigeordneter der Stadt, der als Ersatz für den kranken Bürgermeister Ralf Bußmer eingesprungen war, konnte den Putsch nicht verhindern. Während er von den Möhnen zur Henkersmahlzeit abgeführt wurde, feierten auf dem Marktplatz Hunderte von Narren die Machtübernahme.

 Was für die Narren ein leckeres Süppchen ist, ist für Albert Klein, den 1. Beigeordneten der Stadt, die "Henkersmahlzeit" nach dem Regierungssturz. Obwohl er das Rathaus in Vertretung des erkrankten Bürgermeisters tapfer verteidigt hatte, hatte er gegen die Obermöhne Hannelore Caspari (rechts) keine Chance.Fotos: Esther Kuhn

Was für die Narren ein leckeres Süppchen ist, ist für Albert Klein, den 1. Beigeordneten der Stadt, die "Henkersmahlzeit" nach dem Regierungssturz. Obwohl er das Rathaus in Vertretung des erkrankten Bürgermeisters tapfer verteidigt hatte, hatte er gegen die Obermöhne Hannelore Caspari (rechts) keine Chance.Fotos: Esther Kuhn

Attacke!Energisch ist das Klopfen. Entschlossenheit liegt ihren Blick.Mit einem Schirm bewaffnet versucht eine ältere Dame, sich durchein Fenster im ersten Stock Zutritt zum Rathaus zu verschaffen."Fenster auf" ruft die Narrenschar auf dem Marktplatz im Chor undfeuert Obermöhne Hannelore Caspari an, die in diesem Jahr alserste ganz oben auf der Leiter steht und den Sturm anführt. "Drei Tage im Amt und schon muss ich meine Posten wieder abgeben", schnieft Albert Klein, 1. Beigeordneter der Stadt. "Ich habe mich extra noch vom Militär beraten lassen und Verteidigungsstrategien erarbeitet. Sie haben mir zu Tapetenkleister als Waffe geraten. Aber es war leider schon zu spät. Der muss ja eine halbe Stunde ziehen, bis er klebt."

Inzwischen haben weitere Wittlicher Möhnen die Leiter erklommen. Dann endlich. Das Fenster öffnet sich. "Einmal im Jahr ist es soweit, da stürmen das Rathaus die Weibersleut\\\\\\\\\\\'. Nicht durch die Tür wie\\\\\\\\\\\'s sollte sein, nein durch die Fenster klettern wir rein", ruft die Obermöhne triumphierend. Die "Kommunalminister" und der Ersatz-Regent kapitulieren bedingungslos. Während sie sich zu ihrer Henkersmahlzeit, einem Teller Erbsensuppe, abführen lassen, feiern das Narrenvolk die Machtübernahme.

"Wat trinkt ihr dann, meine Damen", fragt Maria, die mit ihren Freundinnen Marita und Tine aus Altrich angereist ist, um den Angriff der Möhnen live mitzuerleben. "Obstler!" sind sich die Jeckinnen einig, die jedes Jahr extra eine Woche Urlaub für die Narrentage opfern.

Obstler ist das Stichwort für Brigitte Kempe. Während die 78 Jahre alte Möhne hinterm Schnapsstand drei Gläschen mit Hochprozentigem füllt, ziehen in Frack und Zylinder die Damen der Gymnastikgruppe des Polizeisportvereins in einer Polonäse vorbei. Dann verschwinden sie schlängelnd in der Menschentraube , die gerade die "Hände zum Himmel" streckt.

450 Liter Erbsensuppe stehen zum Löffeln bereit

Mittendrin steht Cornelia Pitsch, die für die Öffentlichkeitsarbeit auf der Airbase Spangdahlem zuständig ist. Im Schlepptau hat sie kichernde Amerikanerinnen. Die Soldaten-Ehefrauen erleben gerade die erste Fastnachtsparty ihres Lebens. "Ich habe von deutsche Traditionen erzählt, von der Schultüte bis Fastnacht, damit sie sich nicht wundern, wenn sie auf der Straße etwas sehen, was sie nicht kennen." Ganz schön crazy, finden es die Ladies aus USA, aber sie amüsieren sich sichtlich.

Am Essensstand der Möhnen taucht gerade eine dicke Kelle in den Brei aus Erbsen, Kartoffeln und Speck.

450 Liter Erbsensuppe, 900 Brötchen und 1000 Plastikschälchen stehen bereit. "Am Mittwoch haben wir den ganzen Vormittag damit verbracht, die Zutaten zu schnippeln", verrät Anneliese Hees. Die Vorbereitung läuft schon seit Wochen - seit Montag ist Endspurt. "Unsere Männer mussten die Zutaten dann nach Dreis bringen, wo die Malteser daraus ein Süppchen bereiteten", erklärt sie.

Die Rolle des Lastesels ist auch schon die einzige, die Männer von Möhnen in diesen Tagen spielen dürfen. Verrückt sein, dem Alltag entfliehen wollen die Wittlicher Möhnen und das jedes Jahr seit Anfang der 70er. Schade nur, dass es an Nachwuchs mangelt.

Knapp ein Jahr ist es her, dass Manuela Gündel als Nachwuchsmöhne gewonnen werden konnte. Sie ist die einzige, die noch keinen Orden um den Hals trägt. Den müsse sie sich erst verdienen. Das ist die Tradition.



Also die Kelle in den Topf und Erbsensuppe serviert. Dicht gedrängt warten die Jecken auf die Möhnennahrung. Josef Ritz hat sogar einen Topf mitgebracht, den er sich füllen lässt. "Meine Frau ist krank und hat mich losgeschickt, Erbsensuppe zu besorgen", sagt er. Um den Stand herum wird eifrig gelöffelt, gesungen und geschunkelt. "Schade eigentlich, dass viele Leute an Fastnacht zwar ausgelassen feiern, im Alltag aber oft so ernst sind. Traurig, wenn man zum Lachen in den Keller gehen muss", findet Anneliese Hees.

 Süße Maus: Dick eingemummelt verfolgten schon die kleinsten Narren das bunte Treiben auf dem Marktplatz.

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 Fütterung der Raubtiere: Mitten im Getümmel schmeckt die Suppe doch am besten. Ob für Mama da auch noch was übrig bleibt?

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 Es ist noch Suppe da: Dass keiner hungrig nach Hause gehen musste, dafür sorgten die fleißigen Möhnen mit leckerer Erbsensuppe.

Es ist noch Suppe da: Dass keiner hungrig nach Hause gehen musste, dafür sorgten die fleißigen Möhnen mit leckerer Erbsensuppe.

Inzwischen haben die anderen Möhnen mit dem entmachteten Albert Klein die Bühne erreicht, der nun dem Volk offiziell die neuen Regierung vorstellt: "Der Stadtschlüssel ist in eurer Hand, regiert unser Wittlich mit Herz und Verstand. Mit Möhnen lassen wir raus die Sau, bis Aschermittwoch! Wittlich, Kreiau."

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