"Nur die armen Schweine"
WITTLICH. Über den Handwerkermarkt bummeln, mit alten Bekannten ein Bier trinken, oder eine Sau im Brötchen verspeisen - das alles genossen die Besucher der Säubrennerkirmes am Samstagabend.
"Normalerweise kostet dieser Besteckkasten 750 Euro. Sie bekommen ihn bei mir für 25 Euro. Das ist der letzte Koffer, den ich habe. 25 Euro." Der Scherenschleifer greift ein Messer aus dem Koffer und hält es einem Pärchen unter die Nase. "25 Euro", sagt der Kunde und nickt beeindruckt. "25 Euro", wiederholt der Verkäufer: "Morgen ist er weg." Für einen Moment scheint es, als würden sie gleich sagen: "Okay, gekauft." Doch dann schauen sie sich an und in ihrem Blick ist zu lesen: "Wir brauchen nicht noch einen Besteckkasten." Auf dem Platz an der Lieser riecht es nach Leder: Taschen, Geldbörsen werden angepriesen zu vermeintlichen Schnäppchenpreisen. Daneben Spielzeug, Schmuck, Gläser, Blumen, Gemälde, vieles handgemacht, wie es sich für einen Handwerkermarkt gehört. Ein Pfadfinderzelt im Garten
Ein paar Schweine aus Ton für den Garten faszinieren eine ältere Frau im Dirndl. "Wir haben genug Zeug für den Garten", sagt ihr Ehemann ungeduldig und zieht sie weiter in die kleinen Gassen zwischen den Ständen. Diese sind dicht gefüllt, sich der Geschwindigkeit der Masse zu entziehen ist stellenweise unmöglich. Auch auf dem Pariser Platz wälzen sich die Menschen an Wein- und Bierständen vorbei. Wer einen Beobachtungsposten vor den Cafés und Kneipen ergattert hat, kann sich glücklich schätzen. Schließlich gehört "Sehen und gesehen werden" dazu. Es ist ebenso reizvoll wie alte Bekannte zu treffen, die man mindestens seit der Säubrennerkirmes im vergangenen Jahr nicht mehr gesehen hat. "Ein Freund von mir baut jedes Jahr ein Pfadfinderzelt für die alte Clique im Garten auf. Es ist einfach Tradition", erzählt Johannes Binge. Der gebürtige Ürziger ist extra aus Düsseldorf angereist, um zur Kirmes seine Freunde wiederzusehen. Und die wollen jetzt auch alle mit Bier versorgt werden. Junggesellin feiert Abschied
Der Theker überreicht ihm die Gläser mit Gerstensaft. Schön gezapft sind sie, mit fester Krone. Es sind Profis am Werk. "Ich glaube, ich nehm mir doch ein Taxi", sagt eine junge Frau zu ihrer Freundin am Bierstand. "Und ich muss gleich mal was essen. Ich merke das Bier schon ohne Ende", antwortet die andere. 23 Uhr und die Besucher sind tatsächlich noch zu vernünftigen Entschlüssen fähig. Wo es für andere erst los geht, ist für die fünfjährige Annika die Party vorbei. "Ich glaube, es ist Zeit, dass wir schlafen gehen", sagt ihre Mutter Tanja Brunner. Müde sieht die Kleine aus, aber glücklich, das Lebkuchenherz um ihren Hals wird sie an diesen Abend in Wittlich erinnern, wenn sie am Montag mit ihren Eltern zurück in Köln ist. Die Touristen vom Rhein sind begeistert. "Nur die armen Schweine", sagt Tanja Brunner. Und während die Sängerin von "Gimme 5" auf der Bühne am Pariser Platz "Kids in America" trällert, wird gerade auf dem Marktplatz die 38. Sau gebraten. Welcher der drei Köpfe, die abgetrennt auf einem Tisch liegen, zum Schwein 38 gehört, ist nicht mehr auszumachen. In riesigen Metalltöpfen, die wie Kühltruhen aussehen, schmoren gerade ihre essbaren Reste im eigenen Saft. Es riecht nach Fett und Schwein. "Mein Bedarf ist schon vom Geruch gedeckt", sagt eine junge Frau, während ihr Begleiter "ein halbes Schwein mit 'nem ganzen Weck" bestellt. Ein Berg Brötchen wird aus einem Korb auf die Arbeitsplatte geschüttet. Zwei Köche schneiden die Fleischbrocken auf, die Helferinnen halbieren die Brötchen und stopfen die Scheiben hinein. "Hm, lecker", ist von überall zu hören. (Für Saarländer und andere Zugereiste gibt es an anderen Ständen kulinarische Rettung: Schwenker, einfach gegrillt.) Zwischen den wandernden Menschentrauben kichert eine angeheiterte Gruppe junger Frauen. "In zwei Wochen ist es soweit", ruft eine von ihnen. Jenny Stolz wird gerade von neun Freundinnen aus Eckfeld aus ihrem Junggesellinnen-Leben verabschiedet. "Ich liebe euch beide", sagt sie und meint ihren zukünftigen Mann Daniel und ihren Sohn Ben. Dann schwanken die Mädels zum nächsten Weinstand, dorthin, wo alle munter schwätzen, scherzen, flirten und trinken - und die Zeit vergessen. Mit jeder Stunde werden die Augen kleiner, die Sätze unverständlicher. Väter tragen ihre müden Kinder Huckepack, die ersten Gäste ziehen in Richtung Parkplatz. Wer jetzt noch nicht müde ist, der bleibt - bis die letzten Lichter ausgehen. Clickme-Bilder von der Säubrennerkirmes