Pünderich: Helfer brauchen Hilfe

Jenseits aller Routine gibt es Einsätze, die sich bei Rettungskräften unauslöschlich ins Gedächtnis brennen. Der Unfall bei Pünderich gehört dazu. Dann sind selbst die Helfer auf "Erste Hilfe" für die Seele angewiesen.

Cochem-Zell. Erst seit April gibt es die Notfallnachsorge von DRK und Caritas im Kreis Cochem-Zell. Wie wichtig die ehrenamtliche Arbeit dieser Männer und Frauen ist, zeigte sich am Wochenende. Sie hatten bei dem Horrorunfall bei Pünderich (der TV berichtete) ihren ersten großen Einsatz. Nicht nur die Angehörigen der drei Toten brauchten Beistand, auch die Rettungskräfte waren auf seelische Hilfe angewiesen.Das Szenario ist unvorstellbar: Beamte der Zeller Polizeiinspektion kommen zum Unfallort und stellen fest, dass die tote Frau auf den Bahngleisen ihre Kollegin ist. Feuerwehrleute aus Zell und Pünderich müssen eine zweite Frau aus dem Auto herausschneiden, das 20 Meter in die Mosel gerutscht ist. Ein Mann liegt leblos im Weinberg. Die Toten sind keine Fremden, sondern Freunde, Bekannte, Nachbarn."Es ist eine Leere, die dann in einem herrscht", sagt ein Polizeibeamter. "Man will es nicht wahrhaben, kann es nicht zuordnen, fällt in ein Loch." Doch wie bei allen Rettungskräften setzt zunächst das antrainierte Verhalten ein. "Man weiß, was man zu tun hat. Man funktioniert noch." Doch der Schmerz kommt unweigerlich.Betreut werden die Polizisten von Günter Zisch. Der Beamte von der Autobahnpolizeistation Schweich ist Polizeiseelsorger und gehört zum rheinland-pfälzischen Kriseninterventionsteam. Er setzt sich mit seinen Kollegen aus Zell zusammen, spricht über das Erlebte, klärt sie über mögliche Nachwirkungen auf: Gerüche und Geräusche vom Unfallort können plötzlich wieder präsent sein. Bei so genannten Flashbacks sehen die Polizisten die Bilder der Katastrophe erneut vor sich. Schlaflosigkeit kann eine weitere Folge des belastenden Einsatzes sein. "Wenn die Symptome nach vier bis sechs Wochen nicht abgeklungen sind, empfehlen wir eine Therapie, um Langzeitfolgen zu vermeiden", sagt Günter Zisch.Außer ihm sind fünf Cochem-Zeller Notfallnachsorger vor Ort. Dankbar nehmen die Rettungskräfte die Hilfe der geschulten Männer und Frauen an. Eine von ihnen ist Uschi Bach. "Wir können den Schmerz zwar nicht nehmen, aber wir können ihn gemeinsam mit den Betroffenen aushalten", beschreibt sie ihre Aufgabe. Vor allem die jungen Männer und Frauen der Feuerwehren haben ein Szenario erlebt, das sie zuvor für unmöglich gehalten haben. Für einige ist es die erste Berührung mit dem Tod. "Es ist, als ob einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird", sagt jemand. Den freien Fall der Gefühle fangen die Notfallnachsorger auf. Sie ermuntern immer wieder, sich das Erlebte von der Seele zu reden. Wut und Tränen brechen sich Bahn. "Das nimmt den Trauernden den Druck", sagt Uschi Bach. "Der Tod muss erst begriffen werden."Dazu gehört auch Ehrlichkeit. Mit einem verzweifelten "Sagen Sie mir doch, dass sie wiederkommt", wendet sich eine weinende Frau an Uschi Bach. Wie gerne würde ihr die Notfallnachsorgerin das bestätigen. Doch die Wirklichkeit lässt das nicht zu.

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