Pferde im Kinderzimmer

"Mira, Essen ist fertig!" - Keine Reaktion. "Mira!" - Wieder nichts. Vor ihrer Türe höre ich verschiedene Stimmen. Nanu, haben wir Besuch? Ist da nicht auch Pferdewiehern zu hören? Doch als ich die Tür öffne, ist da nur eine: Unsere Sechsjährige.

Sie ist ganz in ihr Spiel vertieft, in dem sie gleich mehrere Rollen übernimmt. Sie ist Bibi und Tina und irgendwo auch sie selbst, und selbst für das Pferd Amadeus ist ihr Zimmer nicht zu klein. Als sie mich dann doch endlich bemerkt, schaut sie mich an, als hätte ich sie aus einer anderen Welt geholt… Mit ihrem Spiel "überspielen" Kinder ihre Alltagswirklichkeit nicht. Das Spiel stärkt sie, vorbereiteter und kreativer mit ihrem Alltag umzugehen. Auch unser Glaube stellt uns eine "Traumwelt" vor Augen, den neuen Himmel und eine gerechte Erde. Das Spiel unserer Kinder und unser Glaube lehren uns: Es gibt eine Wirklichkeit über der Wirklichkeit. Spiel und Glaube spornen uns an, auf diese "neue Wirklichkeit" zuzugehen, daran mitzubauen, die Welt zum Guten hin zu verändern. Im biblischen Buch der Sprüche erzählt die Weisheit sogar von einem "verspielten" Gott: "Ich war Gottes Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit" (Sprüche 8,30). Wenn schon Gott "Spielraum" braucht, um schöpferisch und kreativ zu sein, um wie viel mehr der Mensch? Wenn der Mensch kreativ ist, wenn er spielt, dann zeigt sich darin, dass er Abbild eines schöpferischen, ja spielenden Gottes ist. Nicht umsonst wird Gott Mensch in einem Kind. Nicht umsonst stellt Jesus ein Kind in die Mitte seiner Jünger, damit sie von seiner Art lernen, über sich hinauszuwachsen und kreativ zu sein. Der Dienst der Erziehenden in Kindergarten, Schule, Familie, der Kinder in die Kunst des Spiels einführt, ist also gar nicht hoch genug einzuschätzen. Armin Surkus-Anzenhofer, Pastoralreferent, Dekanat Wittlich.

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