Pfiffiger Oberschaffner

ANDEL/WITTLICH. Lang, lang ist's her, sagt Herbert Engel und lässt seine alte Moselbahn-Signalpfeife ertönen. Genau ein Vierteljahrhundert war er bei der Moselbahn beschäftigt, die meiste Zeit davon als Zugführer.

"Ich bin kein Engel, ich heiße nur so." Der 79-jährige Herbert Engel wohnt heute in Wittlich. Humorvoll beginnen seine Erzählungen aus den Jahren 1946 bis 1968, als er Beschäftigter der Moselbahn war. Die meiste Zeit davon mit Dienst- und Wohnort Andel. Seine Frau Irmgard, die er auf einer Fahrt mit der Moselbahn kennengelernt hat, sorgt dafür, dass Engels Dienstmontur mit Schirmmütze, Jacke und Mantel auch vier Jahrzehnte nach Auflösung der Moselbahn gepflegt wird.Bahn-Utensilien sind wie ein kleiner Schatz

Er selbst verwahrt die ehemalige Andeler Bahnhofsuhr, die Signallampe mit grünem und rotem Glas und seine Signalpfeife wie einen kleinen Schatz. Aus dem Keller ertönt der schrille Pfiff der Signalpfeife. Für den TV hat sich Herbert Engel nochmals seine Dienstmontur angezogen. Und siehe da, die Jacke passt wie vor 40 Jahren. Schmuck sieht sie aus, die blaue Uniform mit der hoheitsvoll wirkenden Schirmmütze. "Wir von der Moselbahn AG hatten silberne Knöpfe, die Deutsche Bundesbahn goldene", erklärt der ehemalige Zugführer. Im Personenausweis der Moselbahn AG aus dem Jahr 1965 geht sogar die offizielle Dienstbezeichnung hervor: Herbert Engel, Oberschaffner. In Andel war die Streckenmitte. Dort wurde das Zugpersonal getauscht. Acht Dienstwohnungen sowie das Ausbesserungswerk mit mindestens einem Dutzend Beschäftigten waren in Andel vorhanden. Engel: "Insgesamt arbeiteten in Andel etwa 30 Personen für die Moselbahn: Zugführer, Lokführer, Heizer, Schlosser und natürlich der Bahnhofsvorsteher namens Dietz. Wir besaßen in Andel eine Dienstwohnung zwischen dem Lok- und dem Triebwagenschuppen." Die Tätigkeit des Oberschaffners Engel bestand in der Fahrkartenkontrolle. Bei Reisenden ohne Fahrkarte war er eine Strafe von 20 DM zu erheben, viel Geld für die damalige Zeit. Als Zugführer gab er an jeder Station mit der Signalpfeife das Abfahrtszeichen. Schichtdienst war angesagt, mal Früh-, mal Spätschicht. Der Frühzug nach Bullay fuhr gegen 4 Uhr ab. Damals wohnte Engel noch in Dhron, dem Heimatort seiner Frau Irmgard. Der erste Zug nach Trier traf in Andel gegen 5.30 Uhr ein und erreichte sein Ziel Trier gegen 7.30 Uhr. Jede Fahrt wurde in der Fahrtberichtsmappe detailliert aufgezeichnet mit der Zahl der zusteigenden Personen an allen Haltestellen. "Bis zu 1000 Personen haben täglich den ersten Zug nach Trier genutzt. Ab Mehring wurde ein zweiter Zug, der so genannte Vorzug eingesetzt. Alleine in Schweich sind jeden Morgen über 100 Schüler und Berufstätige zugestiegen", erzählt Engel. Anfangs waren es Dampfzüge, später überwiegend Triebwagen mit Dieselmotor. Beim Rangieren mit den Dampfloks musste Herbert Engel auf dem Trittbrett stehen und mit seiner Signallampe schwenken. Herbert Engel traf Kinogrößen wie Marianne Koch und Hans Söhnker. Die drehten einen Spielfilm an der Mosel mit dem Titel "Wenn wir alle Engel wären". Selbstredend, dass der Oberschaffner Engel bei diesem Titel eine Rolle spielen durfte. Er durfte sogar eine kleine Sprechrolle übernehmen. Nur einmal habe er sich den Film im Kino angesehen. Der Stolz über diesen Film wie überhaupt das positive Empfinden über die Zeit bei der Moselbahn ist ihm auch nach 40 Jahren anzumerken. Bergab ging es 1962. Engel legt ein Foto aus diesem Jahr auf den Tisch: "Der letzte Zug der Moselbahn 31.12.62 an der Bahnstation Wintrich. Bahnagentur: Martha Thul; Maria Schmitt, Streckenwärter August Schmitt." 1968 erhielt Herbert Engel zwei Schreiben der Moselbahn AG. Zum einen der Dank für 25 Jahre geleistete Dienste, wenig später die Kündigung, nachdem die Züge endgültig abgeschafft und die Moselbahn mit Bussen betrieben wurde. Herbert Engel wechselte zum Wittlicher Straßenneubauamt als Lichtpauser.

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