Plastikbecher mit Perspektive

WITTLICH. Vor einem Jahr hat die Firma Wittegra in Wittlich ihren Betrieb aufgenommen. 43 der 57 dort beschäftigten Mitarbeiter sind Menschen mit Behinderung. Menschen, die auf dem "normalen" Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten.

"Im Grunde hat sich nicht viel verändert", sagt Geschäftsführer Manfred Brand. "Das heißt, bis auf eine Ausnahme: Wir haben uns vergrößert - und das in jeglicher Form", fügt er dann doch hinzu mit Blick auf das erste Geschäftsjahr, mit dessen Betriebsergebnis "wir sehr zufrieden sind". Vor einem Jahr hat das Wittlicher Unternehmen "Wittegra" seine Produktion aufgenommen und verfolgt seitdem neben dem betriebswirtschaftlichen Ziel auch ein gesellschaftspolitisches. Denn bei Wittegra arbeiten Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung auf dem "regulären" Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben. Seit der Gründungsfeier im März vergangenen Jahres seien aus den 43 Mitarbeitern 57 geworden, sagt Brand, "und davon 36 Menschen mit Behinderung", mit unterschiedlich ausgeprägten Einschränkungen und Behinderungen von bis zu 100 Prozent. Die Verpflichtung, bis 2009 mindestens 40 Mitarbeiter mit Behinderung zu beschäftigen, habe Wittegra damit schon fast erfüllt, zieht Brand nicht ohne Stolz Bilanz, sitzt dabei vor einer Glasvitrine mit zahlreichen bedruckten Getränke- und Milcherzeugnisbechern, während vor ihm ein leerer, ebenfalls bedruckter Eisbecher steht. Ein frech grinsender Bart Simpson ist darauf abgebildet, der auf seinen Sieges(ein)zug in die Glasvitrine allerdings noch warten muss. Produktion geht vor. "Wir müssen drauf halten, damit wir fertig werden", sagt Brand und zeigt auf das Fenster neben der Vitrine, hinter dem Mitarbeiter eifrig mit dem Formen, Bedrucken, Kontrollieren und Verpacken von Verpackungen beschäftigt sind - von montags um sechs bis freitags um 14.30 Uhr. Rund um die Uhr. Und in der Hauptsaison die restliche Zeit auch noch. Einige der Mitarbeiter müssen sich an das Arbeiten in einem Rund-um-die-Uhr-Schicht-Betrieb erst noch gewöhnen. Betriebsleiter Albert Hammes hat das seit Jahrzehnten hinter sich. Genau genommen gehört er zum Inventar. So wie die gesamten Maschinen, die das DRK-Sozialwerk Bernkastel-Wittlich von der in Alf ansässigen Firma "Huhtamaki" gekauft hatte. "Mit unserer Werkstatt für Behinderte in Bernkastel-Kues arbeiten wir schon lange mit Huhtamaki zusammen", erklärt Brand, und als die Konzernspitze irgendwann geplant habe, die Druckerei in Alf aus Kostengründen nach Polen zu verlagern, kam das DRK-Sozialwerk mit der Gründung eines Integrationsunternehmens auf den Plan. "Dank staatlicher Förderung waren wir in der Lage, Maschinen zu kaufen", sagt der Geschäftsführer, und weil nicht nur die Geräte von Alf nach Wittlich umgezogen seien, sondern auch 16 ehemalige Huhtamaki-Mitarbeiter, "konnten wir sofort loslegen." Huhtamaki selbst ist auch weiterhin Kooperationspartner, und des Weiteren steht hinter Wittegra noch ein privater Investor. "Integrationsunternehmen gab es schon immer", sagt Brand, doch würden diese vom Staat jetzt stärker gefördert als früher. Zum einen, weil mit Hilfe dieser Projekte soziale Randgruppen wieder stärker am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, zum andern aber vor allem auch, weil Integrationsunternehmen zur Kostensenkung bei staatlichen Sozialausgaben führen. Denn Einrichtungen wie Wittegra werden nicht mit staatlichen Steuergeldern finanziert, sondern durch Ausgleichzahlungen anderer Unternehmen (siehe Hintergrund). Dank dieser Ausgleichszahlungen können die Mitarbeiter nach Tarif bezahlt werden, unabhängig davon, welche Art der Behinderung sie haben. Für viele Mitarbeiter, die größtenteils aus längerer Arbeitslosigkeit kommen, endlich wieder eine Perspektive: Zwar gab es diese Gleichheit bei den monatlichen Einkünften auch vorher schon, allerdings nicht nach Tarif, sondern Hartz IV.

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