Pluspunkte: Gemeinsinn und die Bahn

REIL. Die 1300 Reiler können nicht klagen. Eine intakte Infrastruktur mit Kindergarten, Grundschule, Geschäften, Handwerksbetrieben und eigenem Bahnanschluss sichert ihnen ein Leben, wie es in vielen Dörfern längst der Vergangenheit angehört.

Was sie an Reil so schätzt, weiß Anne Jakobi, Erzieherin im örtlichen Kindergarten und Mutter von zwei Kindern, genau. Der Zusammenhalt und, "dass es viele Vereine gibt und viel gemacht wird." Tochter Katharina, elf Jahre, profitiert davon täglich. Von den Terminen montags bis sonntags - Klavier, Turnen, "Club-Treffen" mit Freunden, Garde, Ballett und Messdiener - verlässt sie nur fürs Ballett das Dorf. Und will sie am "freien" Samstag was unternehmen, geht's mit Bruder Johannes auf den Sportplatz.Abgesehen vom Kicken, auch für Mädchen, ist sportlich in Reil einiges geboten. Turnen für jedes Alter, Volleyball, Aerobic, Lauftreff, Badminton und Schach. Darüber hinaus können die Bürger aus Angeboten von mehr als einem Dutzend Vereinen plus diverser Gruppen wählen. Darunter Mandolinenorchester, Musik- und Männergesangverein, Kinderchor, Feuer- und Jugendwehr, Frauen- und Mütterverein, Krabbelgruppe, Motor- und Angelsport, Karnevalsverein und Möhnen, Winzerverein und Freunde vom Heißen Stein. Oder sie entfalten sich im Theaterverein, der nicht nur Jugendtheater macht, sondern nebenbei den alten Kreuzweg restaurierte. Für die Reilerin Anne ein "außergewöhnliches Engagement".Rentner erneuerten Denkmal

Ebenso wie das des VDK und einiger Reiler Rentner, die das Denkmal in der Ortsmitte erneuerten. Auch die Gemeinde steht nicht zurück, organisiert wöchentliche Altennachmittage und sorgt regelmäßig für ein müllfreies Umland.Aktiv geht es in Reil jedoch nicht nur bei Aktionen wie diesen zu. Der Nachwuchs kann sich im Jugendclub oder auf teils in Eigeninitiative gestalteten Spielplätzen austoben. Die Erwachsenen treffen sich bei Wein-, Straßen-, Pfarrfest und Motocross oder in Hotels, Gaststätten, Cafés und Pizzeria.Gärtnerei, Getränkeladen, Bäckerei mit Lebensmitteln, Schreibwaren, Geschenke, Post und Raiffeisenbank sind vor Ort. Außerdem gibt es Arzt, Friseur, Kosmetikerin, Wäscherei, Tankstelle und KFZ-Werkstätten sowie diverse Handwerksbetriebe wie Anstreicher, Bauunternehmung, Elektriker, Fliesenleger, Installateur, Schreiner, Dachdecker oder Druckerei.Dennoch zog sich die Sparkasse zurück, wie Familienvater Hans-Jürgen Jakobi bedauert. Briefkästen gebe es keine mehr im Dorf und der Abbau von Telefonzellen sei im Gespräch. Da gelte es zu schauen, dass nicht mehr abbröckelt. "Wir haben auch keinen Pastor mehr", wirft Sohn Johannes ein. Seit dem Sommer wird die Gemeinde, die zu Weihnachten immer ein Krippenspiel aufführt, von Trarbach betreut. Ein Problem sieht die Familie in der Beförderung der älteren Schüler. "Die Kinder müssen teilweise auf dem Boden sitzen, wenn sie nach Traben-Trarbach fahren", klagt der Vater, der sich sorgt: "Die spielen teilweise mit dem Leben unserer Kinder." Großer Pluspunkt von Reil ist der Zug. "Die Bahnanbindung ist schon von Vorteil", meint Jakobi. Mit der Bahn sind die Leute ohne Auto im Nu in Bullay, Koblenz oder Trier. Was sicher manchen Berufstätigen veranlasst, im Dorf zu bleiben, oder wie andere, nach Jahren zurückzukehren. Der geplante "Eisenbahnhistorische Weg", von dem Ortsbürgermeister Artur Greis spricht, liegt daher nur nahe. Weinkontor und Weinlehrpfad, den ersten der Mittelmosel, hat Reil bereits. Die Sorge des Bürgermeisters gilt dem Strukturwandel, der den Erhalt der Wein- und Kulturlandschaft gefährdet. Die bearbeitete Fläche ging von 200 auf 120 Hektar zurück. In einigen Weinbergsbrachen grasen neuerdings Rehe und Ziegen und seitens der Gemeinde wird überlegt, Rebflächen Gästen anzubieten, deren Zahl laut Greis stetig steigt. 2002 hatte der Ort 126 000 Übernachtungen. Um ihre Bürger ist die Gemeinde jedoch ebenso bemüht, will zusätzlich zu Privatbauland und Altbausubstanz ein neues Baugebiet erschließen. Neben der gesunden Infrastruktur ist Greis vor allem auf eines in seiner Gemeinde stolz: "Was bei uns im Ort prima ist, ist der Zusammenhalt." Wozu der Bürgermeister wohl sein Scherflein beträgt, wie Anne Jakobi meint: "Der nimmt die Belange der Leute ernst und kümmert sich."

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