Rücksicht auf Altes, Vorsicht bei Neuem Vorher-Nachher-Schau

"Neue Nutzung in alten Gebäuden" — mit dieser Ausstellung ist Marie-Luise Niewodniczanska seit vielen Jahren landauf und landab unterwegs. Jetzt ist die Schau in Wittlich zu sehen. Der TV sprach mit der Architektin über ihr Engagement für das architektonische Erbe und ihre Vorstellungen von Neubauten.

Wittlich. Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzt sich Marie-Luise Niewodniczanska in vielfältiger Weise für den Erhalt alter Gebäude und der Dorfkerne ein. Sie wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Marion Maier sprach mit ihr über ihre Arbeit. Wie kommt es, dass Sie sich seit 25 Jahren für den Erhalt von Altbauten engagieren ?Niewodniczanska: Vor 25 Jahren habe ich die Ausstellung "Unser Dorf soll leben" geschaffen. Mir geht es darum, dass die Dorfkerne nicht verfallen und weiterhin lebendig bleiben. Neubaugebiete entziehen dem alten Kern Bewohner und damit auch Kraft. Was hat sich in dem vergangenen Vierteljahrhundert getan?Niewodniczanska: Es hat sich viel getan. Dank einer breiten Bewusstseinsbildung werden heute wertvolle Bauten in den Dörfern nicht mehr abgerissen. Ein Beispiel: Das alte Landratsamt in Wittlich, in dem heute das Rathaus der VG Wittlich-Land untergebracht ist, sollte 1980 noch abgerissen werden. Heute würde man eine solche Entscheidung nicht mehr treffen.Aber Sie sind nicht grundsätzlich gegen Abriss?Niewodniczanska: Nein, nicht grundsätzlich. Es gibt Ausnahmen, bei denen der Abriss sein muss, weil man sonst nicht mehr weiterkommt. Zum Beispiel wenn ich ein verfallenes Wohnhaus und verfallene Scheunen in einer Zeile habe und weiß, dass diese Gebäude niemand kauft. Allerdings muss ich als Bürgermeister dann aufpassen, was für ein Neubau dahin kommt. Der Dorfplaner muss unbedingt mit einbezogen werden.Wie müssen Ihrer Meinung nach neue Häuser aussehen?Niewodniczanska: Im Dorf brauche ich eine neue Architektur mit Erinnerung, das heißt mit Rücksichtnahme auf die umliegenden Gebäude und die Struktur. Keiner baut für sich allein, das öffentliche Interesse sitzt immer mit am Tisch. Konkret sollte man sich anschauen, wie alte, gute Häuser aussehen und die Eckdaten übernehmen, also Proportionen und Materialien. Man sollte auch konstruktionsgerecht bauen. Es geht jedoch nicht darum, das Alte einfach zu imitieren, es sollte unbedingt eine neue Architektur des 21. Jahrhunderts entstehen.Warum ist das regionale Bauen wichtig?Niewodniczanska: In Deutschland wurde in der Vergangenheit regional sehr unterschiedlich gebaut. Es wäre schade, wenn diese Vielfalt verloren ginge. Wenn sie heute in ein Neubaugebiet gehen, können Sie oft nicht mehr die regionale Identität erkennen.Sie sagen, es gibt in unserer Region zu wenig gute Beispiele für neue Bauten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?Niewodniczanska: Zum einen an der Ausbildung der Architekten. An der belgischen Uni in Liège beispielsweise beschäftigt man sich viel mehr mit dem ländlichen Raum. Das Problem in der Region ist aber auch, dass viele Leute ohne Architekt bauen. Außerdem haben die Bauabteilungen der Kreise heute kaum noch Macht. Ohne Bebauungsplan können sie nichts machen.Wo ist es heute noch notwendig, sich für Bewusstseinsbildung einzusetzen?Niewodniczanska: Heute haben die Dörfer mit neuen Problemen durch die demografische Entwicklung zu kämpfen. Die Leute ziehen weg und es gibt nicht mehr so viele Wohnungssuchende. Die neuen Wärmedämmvorschriften bereiten Probleme. Sie können aus einem Altbau kein Niedrigenergiehaus machen. Wittlich. (mai) Mit anschaulichen Voher- und Nachher-Bildern zeigt die Wanderausstellung "Neue Nutzung in alten Gebäuden" von Marie-Luise Niewodniczanska Beispiele von Sanierungen alter Scheunen, Schulen und Bauernhöfe aus der Region Trier. Der Kreis Bernkastel-Wittlich ist unter anderem mit Häusern aus Landscheid, Salmtal, Hetzerath, Rivenich und Veldenz vertreten. "Das Thema ist nicht neu, es ist ein nie endendes Thema", sagte VG-Bürgermeister Christoph Holkenbrink. Wohnen im Ortskern und nicht im Außenbereich gewinne an Bedeutung, allein schon weil es helfe, Kosten zu sparen. Die Ausstellung sei als Anregung gedacht.Mit der Gemeinde Esch als Nachzügler sind alle 24 Gemeinden der VG Wittlich-Land im Dorferneuerungsprogramm drin. Mit dem Förder-Programm soll die Entwicklung des Dorfes unterstützt werden. In Wittlich-Land wurden seit Beginn der Dorferneuerung 1985 37 Millionen Euro an öffentlichen und privaten Mitteln investiert (ohne Förderung). Hinzu kommen Investitionen von 16,6 Millionen Euro in der Städtebauförderung.Die Wanderausstellung ist bis zum 4. Dezember im Rathaus der Verbandsgemeinde Wittlich-Land zu sehen.Zur Person: MARIE-LUISE NIEWODNICZANSKA (69) hat in Zürich Architektur studiert. Als Architektin hat die Tochter des einstigen Seniorchefs der Bitburger Brauerei in der Schweiz und Anfang der siebziger Jahre in Darmstadt gearbeitet. In Polen, wo sie von 1963 bis 1970 mit ihrem Mann gelebt und drei Kinder auf die Welt gebracht hat, hat sie für einen Architekturverlag gearbeitet. 1975 kehrte Niewodniczanska nach Bitburg zurück. Ab da erhielt sie mehrere Lehraufträge an der Trierer Fachhochschule.

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