Rechts außen mit sozialem Anstrich

Rechtsextreme Parteien sind weder im Kreistag noch in einem der Stadt- oder Verbandsgemeinderäte des Kreises vertreten. Einzeltaten wie die Schmierereien an der Wittlicher Synagoge werfen aber ebenso ein Schlaglicht auf rechtsextreme Umtriebe wie der gescheiterte NPD-Plan, in Gonzerath ein Schulungszentrum einzurichten. Am Dienstag informierte die Ebert-Stiftung in Wittlich über eine Taktik der organisierten Rechten: gezielten Sozialprotest.

Wittlich. (chk) Einem gesetzlichen Mindestlohn reden in der Politik viele das Wort. Die SPD will ihn, die Linkspartei will ihn, die Grünen wollen ihn wenigstens ein bisschen. Und was ist mit der NPD? Jawohl, auch die Rechtsextremen - immerhin in zwei ostdeutschen Landesparlamenten vertreten - sprechen sich für eine Lohnuntergrenze von 8,80 Euro in der Stunde aus. Dass die Partei den Mindestlohn ausgerechnet auf diese Höhe festlegen möchte, ist für Dietmar Molthagen, Leiter des "Projekts gegen Rechtsextremismus" bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), kein Zufall. "Die Zahl 88' steht in der rechten Szene für Heil Hitler' - weil H' der achte Buchstabe im Alphabet ist", sagte er am Dienstag in Wittlich.Mindestlohn: Nur ein Baustein in der rechten Strategie

Im dortigen Haus der Jugend sprach Molthagen schon zum zweiten Mal binnen sieben Monaten. Im Spätsommer vergangenen Jahres hatte er eine von der FES in Auftrag gegebene Studie vorgestellt. Danach sind in Deutschland die Zustimmungsraten zu rechtsextremen Standpunkten um ein Vielfaches größer als es die alles in allem bescheidenen Wahlergebnisse von NPD und DVU vermuten lassen (der TV berichtete).Das Verlangen nach einem gesetzlichen Mindestlohn ist laut Molthagen nur ein Baustein in der gegenwärtigen Strategie des organisierten Rechtsextremismus. Gezielt versuche die NPD, verstärkt sozialpolitische Themen zu besetzen, um den anschwellenden Strom der Hartz-IV-Geschädigten und Agenda 2010-Frustrierten auf die eigenen Mühlen zu lenken. "Die Gefahr ist, dass Menschen auf die nicht unbedingt immer als rechtsextrem erkennbaren Forderungen anspringen und darüber die politischen Gesamtziele der NPD vergessen", so Molthagen.Es gehöre inzwischen zur Taktik der NPD und ihres radikalen Dunstkreises auch klassisch linke Symbolthemen und Identifikationsfiguren für sich zu beanspruchen. Darüber, was sie wirklich wolle, könne aber weder ein von Glatzköpfen getragenes Che-Guevara-Shirt noch ein auf Spruchbanner gedrucktes Zitat des sozialdemokratischen Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt hinwegtäuschen. "Deshalb ist es so wichtig, dass man sich sowohl dieser Strategie als auch der wahren Ziele der Rechtsextremen bewusst ist", sagte Molthagen.Kritischer Blick auf Kapitalismus-Kritik der NPD

Um den Schleier zu lüften, hilft laut Molthagen schon ein genauerer Blick auf die Globalisierungs- und Kapitalismuskritik der NPD. Vor allem von der Abschiebung ausländischer Mitbürger verspreche sich die Partei eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt; hinter der Globalisierung sähen die Rechtsextremen zuvorderst jüdische Finanzinteressen am Werk. Anders als die Stimmen aus dem Publikum, sprach sich Molthagen in der von Dieter Burgard (SPD-Stadtrat und MdL) geleiteten Diskussion deutlich für ein Verbot der NPD aus. "Auch wenn die Partei sich wohl unter einem anderen Namen neu gründen würde, würde ihr Verbot den organisierten Rechtsextremismus in Deutschland zumindest um zehn Jahre zurückwerfen."

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