Regeln für die Wut

WITTLICH. In der Dualen Schule durften die Fünftklässler nach Herzenslust raufen, sogar die ärgsten Schimpfwörter aufschreiben. Was sie dabei lernten: Wer einige Regeln beachtet, kann seine Aggressionen durchaus ohne Schaden für seine Mitmenschen ausleben.

Das Projekt heißt "Cool bleiben - fair handeln". Auch für Erwachsene ist das leichter gesagt als getan. Damit das Zusammenleben jedoch funktioniert, kann Hänschen schon mal lernen, was Hans sonst nimmermehr lernt. Das dachten sich zwei Trierer Sozialarbeiterinnen und erstellten einen Parcours für Jugendliche. An vier Stationen trainieren die Zehn- und Elfjährigen, wie sie mit Wut konstruktiv umgehen können, ohne dass es zu Hasstiraden und Schlägereien kommen muss. An der Dualen Oberschule hat Schulsozialarbeiter Oswald Steines dabei Unterstützung gehabt: An jeder Station arbeitete ein Kollege von der Kinder- und Jugendhilfe Palais aus Trier mit. Und zu Streitschlichtern ausgebildete Neuntklässler betreuten die acht Gruppen, denn die vier fünften Klassen der DOS wurden in Hälften geteilt, die sich passende Namen gaben. Auf ging´s zu ersten Lockerungsübungen. "Ihr dürft hier etwas machen, was ihr sonst nicht dürft: Ihr dürft mir alle Schimpfwörter nennen, die euch einfallen", ermunterte David Pensé die "Gangster", eine reine Jungengruppe. In alphabetischer Reihenfolge schrieb er sie nieder. Soviel sei gesagt: Schimpfwörter à la Ratte, Esel oder Zwerg kamen höchst selten vor, die Gangart von Pubertierenden ist durchweg eine härtere und bei Missgeburt und Suka (russisch für Schlampe) aufwärts angesiedelt. Profi Pensé blieb cool: Zielstrebig steuerte er den Selbsterfahrungskurs dahin, wo er ihn haben wollte. Die schlimmen Wörter waren in Gruppen zusammen zu fassen. Ein paar eher lustige, ein paar schon sehr beleidigende, die den Beschimpften einer Randgruppe zuordnen, die er sich niemals selbst ausgesucht hat - Behinderte, Japs, Polacken... - und die sexistischen, die schlimmsten, da waren sich alle schnell einig. Solche psychologischen und soziologischen Exkurse schärfen das Bewusstsein für kommende Streitereien, und helfen möglicherweise, Schlägereien zu verhindern. Zur nächsten Station: Bei "Platzen vor Wut" sammelten die Mädchen und Jungs Situationen, in denen sie sauer werden, schrieben sie auf einen Luftballon und ließen ihn buchstäblich platzen: Raus damit! Und anschließend half auch hier eine Sozialarbeiterin dabei, über das Geschehene nachzudenken. Beim Elefantenspiel waren körperliche Berührungen ausdrücklich erbeten. Schwer fiel es manchen Jungs, ein Mädchen unterzuhaken - Petra Fußwinkels Empfehlung, sich halt hinterher gründlich die Hände zu waschen, wurde dankbar aufgegriffen. Richtig ans Raufen ging es bei Detlef de Graaff: Mit Schaumstoffschlägern aufeinander los hauen, allerdings mit Regeln, die sich die Schüler selbst gaben. Regel Nummer 1, abgeguckt beim Judo: Vor dem "Kampf" begrüßen sich die Gegner mit einem Ritual, danach verabschieden sie sich genauso. Regel Nummer 2: Sofort aufhören, wenn das Gegenüber Schmerz oder Unlust bekundet. "Wir können heute in dieser Kürze lediglich Impulse geben", so Steines später. "Die Klassenlehrer sollten nun unbedingt das Thema vertiefen." Übrigens bescheinigte das Sozialarbeiter-Team den Wittlicher DOS-Schülern eine ungewöhnliche Reife. "Es war deutlich zu sehen, dass in dieser Schule schon jede Menge Vorarbeit in Sachen Gewaltprävention geleistet worden ist", so Fußwinkel.

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