Rieslingtrauben faulen: Winzer müssen sich beeilen

Bernkastel-Kues · Viele Winzer hat man am vergangenen Sonntag und auch am Feiertag, 3. Oktober, in den Weinbergen bei der Lese gesehen. Sie wollen ihre Rieslingernte so schnell wie möglich einbringen. Grund ist die Fäulnis der Trauben, die sich nach den warmen Temperaturen der vergangenen Tage und Nächte schnell ausgebreitet hat.

Bernkastel-Kues. "So früh wie in diesem Jahr habe ich noch nie mit der Rieslingernte begonnen." Winzer Ludger Veit aus Osann-Monzel spricht von einem "Blitzherbst". Schnell müssten jetzt die Rieslingtrauben gelesen werden, weil sich die Fäulnis rasant ausbreite. Gestern hatte er in einem flachen Weinberg den Vollernter im Einsatz, gleichzeitig erntete seine Lesemannschaft in der steilen Lage Kestener Paulinsberg die Trauben.
Veit ist bislang noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Etwa zehn bis 15 Prozent seiner Trauben, schätzt der Winzer, seien angefault. In anderen Weinbergen und Gemarkungen sieht es teilweise schlimmer aus. Viele Winzer schneiden die fast komplett verfaulten Trauben ab und lassen sie auf dem Boden liegen. Der Kröver Winzer Christoph Gassen schreibt im sozialen Netzwerk Facebook: "Das ist der stressigste Herbst, den ich je erlebt habe."
Was die Experten des Steillagenzentrums Mosel in Bernkastel-Kues in den vergangenen Tagen in den Weinbergen beobachtet haben, klingt in der Tat besorgniserregend: In einer Mitteilung heißt es: "Es gibt zurzeit kaum noch Weinberge, die keine Fäulnis aufweisen. Vollgesogene Trauben platzen auf, Fruchtfliegen fallen über solch aufgeplatzten Beeren in Heerscharen her und sorgen für massive Essigfäule" (siehe Extra).
In der Toplage Brauneberger Juffer waren gestern 16 Lesehelfer des Weingutes Dr. Pauly-Bergweiler, Bernkastel-Kues, bei der Arbeit. "Die Trauben fangen an zu faulen. Bevor der Regen kommt, wollen wir sie reinholen", erklärt Außenbetriebsmitarbeiter Werner Pesch. Er hofft, dass in zwei Wochen alle Weinberge des 17 Hektar großen Weingutes gelesen sind. Mit den jetzt geernteten Qualitäten ist er, ebenso wie Ludger Veit, sehr zufrieden. In guten Lagen erreichen die Trauben ein Mostgewicht von über 90 Grad Oechsle. Es wird also auch in diesem Jahr Spätlesen und die ein oder andere Auslese geben. Die Menge ist zur Freude der Winzer in diesem Jahr recht ordentlich. Sie war in den beiden Vorjahren unterdurchschnittlich.
Guter Start ins Weinjahr


Die aktuelle Wettervorhersage verheißt nichts Gutes. Es soll heute und morgen regnen, und danach werden wieder Temperaturen von über 20 Grad erwartet. Das sind Bedingungen, die die Fäulnis weiter beschleunigen.
Dabei hatte das Weinjahr 2014 sehr gut begonnen. Die Rebblüte war außergewöhnlich früh, der Behang sehr gut und die Reben hatten bis August einen deutlichen Vegetationsvorsprung. Doch dann kam der große Regen. Die Traubenbeeren wurden schnell dick - zu dick. Manche platzten auf und wurden von Essigbakterien befallen (siehe Extra). Winzer Ludger Veit: "Ohne diesen Regen hätten wir sicherlich einen Traumjahrgang bekommen."Extra

Die Winzer unterscheiden zwischen Essigfäule und Edelfäule. Während die Essigfäule gefürchtet ist, ist die Edelfäule erwünscht. Essigfäule entsteht, wenn die Beeren zuvor verletzt wurden, zum Beispiel durch Vogel- oder Wespenfraß, oder wie vor allem in diesem Jahr, wenn die Beeren so dick sind, dass sie sich gegenseitig zerquetschen und aufplatzen. Diese werden von Fruchtfliegen und anschließend von Essigbakterien befallen. Es kann zu einem Essigstich kommen. Solche Weine riechen und schmecken säuerlich-kratzig nach Essig. Befällt der Botrytispilz vollreife Trauben und bleibt es danach trocken und sonnig, schrumpfen die Beeren ein und die Inhaltsstoffe konzentrieren sich - solange bis fast keine Flüssigkeit mehr enthalten ist. Man spricht von Edelfäule. Die Trockenbeeren sehen aus wie Rosinen. Aus solchen Trauben gewonnene Weine sind besonders edel und teuer. sim

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