Rinnen muss der Schweiß...

PIESPORT. Dichtes Gedränge herrschte am Wochenende an der Piesporter Pfarrkirche St. Michael. Um bei dem sich über zwei Tage erstreckenden Glockenguss an der Kirche dabei sein zu können, hatten manche Zaungäste weite Anfahrtswege in Kauf genommen.

Etliche Stunden hatten die Vorbereitungen für den Glockenguss an der Piesporter Pfarrkirche St. Michael gedauert. Das Zerlegen der Glockenform, ihr Ablassen in die dafür ausgehobene Grube und das Eindämmen waren ebenso abgeschlossen wie der Bau des Schmelzofens. Die auf 1200 Grad erhitzte Bronze war schon seit einiger Zeit heftig am Brodeln - was die mehr als 200 Zaungäste je nach Standort mehr oder weniger intensiv zu spüren bekamen. Nach dem Entfernen der Ofen-Abdeckung kam dann der entscheidende Satz: "In Gottes Namen!"Prozedere geht Zuschauern nahe

Mit diesen Worten tauchte Hermann Schmitt, Glockengießer aus Brockscheid, die erste Schöpfkelle in die glühend rote Masse aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn. Danach ging alles ganz schnell. Innerhalb weniger Minuten beförderten Schmitt und Sohn Christoph - unterstützt vom Auszubildenden Eduard Schmalz - die flüssige Bronze in die dafür vorgesehene Öffnung im Boden. Dabei hatten sie pro Kelle etwa 30 Kilogramm zu schleppen. "Von der Stirne heiß - rinnen muss der Schweiß" zitierte ein weiblicher Zaungast angesichts dieser Schwerstarbeit beeindruckt. Da würden einem die Zeilen aus Friedrich Schillers "Das Lied von der Glocke" (1799) erst richtig bewusst werden.Mit deren Wiedergabe Willi Hayer keinerlei Probleme hatte: "Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt - heute muss die Glocke werden, frisch, Gesellen! - seid zur Hand." Der Wallscheider war mit Schwiegersohn und Enkel für den Glockenguss nach Piesport gekommen. Und konnte dabei den aus dem Nachbardorf stammenden Glockengießer kennen lernen, von dessen Existenz er bis vor wenigen Jahren gar nichts gewusst hatte. Auf seine Frage nach dem Geheimnis des Glockengießens antwortete Schmitt: Das größte Geheimnis sei, dass dies keins sei. Nur dass mit dem Beruf ein Dutzend Handwerke zu tun hätten wie Mauern, Formen, Modellieren von Buchstaben - ebenso die Musik für den rechten Klang und die Montage.Ein Vor-Ort-Guss wie der in Piesport ist für den Brockscheider nichts Ungewöhnliches. Im Elsass hat er das schon zigmal demonstriert. Im näheren Umkreis dagegen zuvor nur in Beulich bei Koblenz und in Müllenbach am Nürburgring. Warum er das macht? "Für die Leute, damit die mal so was sehen können. Das Handwerk hat sich ja nicht verändert." Den Ungeduldigen von ihnen gab er noch einen Tipp: Hacke und Schaufel stünden bereit, da könnten sie morgen früh schon mal anfangen. Den Demo-Guss anlässlich des Pfarrfestes hatte Pfarrer Matthias Biegel angeregt und mit den Worten begleitet: "Hoffen wir also, dass der Guss der Glocke gelingt.""So was muss man mal gesehen haben", kommentierte ein 82-Jähriger aus Emmel den ersten Glockenguss, bei dem er anwesend war. Marlene Görgen fand das Prozedere aufregend und anrührend. "Mir kamen die Tränen", gestand die Piesporterin. "Ich komme morgen noch mal", versicherte ihre Tochter Beate, die mit ihrem Sohn aus dem Saarland gekommen war. Das müsse schon sein: "Wenn ich beim Gießen dabei war, muss ich auch hören, wie's klingt." Manfred Matheus hatte so etwas bisher nur mal im Fernsehen gesehen. "Das ist schon was Einmaliges", stimmte ihm Gaby Kettern zu.Am Vormittag hatte sie noch gedacht: "Das wird eine verregnete Glocke." Doch Petrus hatte da ein Einsehen gehabt. Auf jeden Fall stand für Gaby Kettern fest: "Morgen früh kommen wir wieder - wenn die Glocke ausgegraben wird."

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