Roller und Abripper

ZELL. (teu) Wer verbindet mit Zell außer Wein auch Zigarren? 100 Jahre lang war an der Moselschleife eine bedeutende Zigarren-Industrie beheimatet, die nach dem Zweiten Weltkrieg unterging.

Dass Rauchen schädlich ist, wird die Arbeiterinnen, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den Zeller Zigarrenfabriken das karge Familieneinkommen aufbesserten, nicht interessiert haben. In der strukturschwachen Region war die Ansiedlung von Betrieben zur Weiterverarbeitung von Tabak gern gesehen. Die Zigarrenfabrikanten machen sich gerade das gegenüber Koblenz oder Köln niedrige Lohniveau an der Mosel zunutze. Heute werden Arbeitsplätze im Zuge der Globalisierung aus Deutschland ins Ausland verlagert. Zwischen 1850 und 1950 siedelten sich 16 Fabriken wegen der niedrigeren Kosten in Zell an. Man dürfe sich diese "Fabriken" aber nicht so wie heute vorstellen, erklärt Gerd Bayer in seinem Buch "Das Zigarrenstädtchen Zell". Johann B. Graeff, der 1850 als einer der ersten Tabak in Zell verarbeitete, ließ beispielsweise in seinem Wohnhaus in der Innenstadt produzieren. Erst später kamen Neubauten hinzu. Das Stammgebäude der Zeller Plastik und auch das ehemalige Kino waren ursprünglich Zigarrenfabriken. Als so genannte Roller, Abripper und Wickelmacher verdienten meist Frauen und Mädchen (die Männer arbeiteten im Weinberg) manchmal nur 20 Mark im Monat. Die Arbeitszeit betrug in der Regel mehr als zehn Stunden täglich. Am kommenden Sonntag (14 Uhr, Treffpunkt: Schwarze-Katz-Brunnen) erzählt Bayer im Rahmen des Zeller Weinblütenfests bei einer Führung durch die Zeller Altstadt die Geschichte der Zigarrenherstellung an der Mosel. Vor den ehemaligen Fabriken sind außerdem Schautafeln aufgestellt. Als einer der letzten, der die Kunst des Zigarrenrollens beherrscht, wird Karl Bremm an einem original Wickeltisch eine Zigarre herstellen. Das Programm des Weinblütenfests: Samstag, 11 bis 17 Uhr, Kinderspielfest (Torwand, Basketball, Zielwerfen) mit Handwerk zum Anfassen und Kinderflohmarkt (Info-Telefon 06542/4580). Sonntag, 11 bis 17 Uhr, Zigarrenproduktion in Zell und Ausstellung historischer Zugmaschinen - Ausstellung und Information in der Balduinstraße und vor den ehemaligen Zigarrenfabriken. Um 14 Uhr wird eine Führung mit Gerd Bayer angeboten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort