Schulden verschwinden nicht im luftleeren Raum

WITTLICH. (peg) Vor zehn Jahren hat die Caritas die Schuldnerberatung übernommen. Aus der Acht-Stunden-Stelle wurde längst ein Vollzeit-Arbeitsplatz. Auch im Landkreis nehmen die überschuldeten Haushalte zu.

Die Tendenz sei auch weiterhin steigend, sagt die Bankkauffrau Gudrun Hack, die seit zehn Jahren mit der Schuldnerberatung im Kreis Bernkastel-Wittlich betraut ist. Seit 1999 kann sie effektiver helfen: Das Insolvenzverfahren wurde auf Endverbraucher ausgedehnt, die realistische Möglichkeit einer Entschuldigung in absehbarer Zeit also erst geschaffen. Zeitgleich sprach das Land Rheinland-Pfalz der Caritas die staatliche Anerkennung als Beratungsstelle aus. Seitdem arbeitet Gudrun Hack als Vollzeitkraft - und muss dennoch ihre Neukunden auf eine Liste setzen, auf der sie rund ein halbes Jahr in der Warteschleife stehen, bevor es zum ersten Gespräch kommt. Aus den Anmeldebögen, die ihre Kunden ausfüllen müssen, kann die Fachfrau für Entschuldung jedoch die Dringlichkeit entnehmen. "Die sichte ich umgehend", erzählt sie, und reagiert, wenn nötig, sehr schnell. Das gestattet ihr die Zusammenarbeit unter einem Dach bei der Caritas mit anderen Fachdiensten: Familien-, Schwangeren-, Sucht- und Migrationsberatung. Krisenintervention heißt das im Fachjargon. "Schuldnerberatung findet ja nicht im luftleeren Raum statt", weiß auch Caritas-Leiter Hermann Barth. Eines greift ins andere: Die einen beginnen zu trinken, weil sie pleite sind, die anderen sind pleite, weil sie getrunken haben, und dann läuft ihnen auch noch die Frau weg. Krankheit jedweder Art kann der Auslöser sein für Arbeitslosigkeit, oder der Arbeitgeber macht Hals über Kopf dicht. Handys und Ratenkäufe sind weitere Schuldenfallen, in die bereits ganz junge Menschen geraten. Den "typischen Fall" gibt es nicht mehr. Männer und Frauen, Alt und Jung halten sich fast die Waage. Von 156 laufenden Schuldner- und Insolvenzberatungsfällen im Jahr 2004 konnte Hack den meisten helfen, manchen schon außergerichtlich: Dann bekommen die Gläubiger ihr Geld ohne Abzug von Gerichtskosten, die der Schuldner zu tragen hat. Andere sind spätestens nach sechs Jahren schuldenfrei. Die Caritas wartet jedoch nicht, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Präventivarbeit leistet sie auch in Sachen Geld. Während der Feier zum zehnten Geburtstag stellt Gudrun Hack die Ergebnisse einer kreisweiten Umfrage vor. Unter der Überschrift "Knete, Kohle, Kröten! Wir reden über Geld - redet mit!" berichten fast 1100 Menschen ab elf Jahren, wie das bei ihnen so ist mit dem lieben Geld. Die Fotoausstellung "Zwischen Mut und Verzweiflung" zeigt Schwarz-Weiß-Porträts von Menschen, die zu Schuldnern wurden. Sie wird vom 9. März bis 6. April in der Wittlicher, danach bis zum 28. April in der Bernkastel-Kueser Sparkasse zu sehen sein. Die Caritas hat auch ein Handy-Booklet herausgegeben. Ohne erhobenen Zeigefinger finden Jugendliche hier hilfreiche Tipps, die sie am besten vor, nicht nach dem Kauf eines Mobiltelefons lesen. Handy Andy hat das versäumt: Er tappt darum in jede Schuldenfalle. Acht Minuten am Tag telefonieren plus zwei SMS können schon mal 75 Euro im Monat ergeben - wenn man nicht weiß, wie es anders geht.

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