Herr Richter, welche Persönlichkeits-Merkmale spielen für ein solches Zeugnis eine Rolle? Reinhard Richter: Die ‘geistige Reife‘ ist ein weites Feld mit vielen Kriterien - etwa Auffälligkeiten wie mangelnde soziale Integration und seelische Probleme. Wichtig ist, ob jemand fest ins Berufsleben integriert ist. Dieses äußere Merkmal lässt auf eine gewisse gesellschaftliche Integrität schließen. Wichtiger als geistige Reife - die auch am IQ festzumachen ist - ist jedoch die seelische Reife, also wie stabil jemand ist. Wie können diese Eigenschaften getestet werden? Richter: Ein solches Persönlichkeitsbild kann nicht innerhalb von fünf Minuten und nicht mit einem IQ-Test-ähnlichen Fragebogen festgestellt werden. Ein etwa einstündiges Gespräch mit einem erfahrenen Therapeuten ist nötig - wenn man sich darauf verlassen kann, dass die Angaben zu den persönlichen Umständen, wie Arbeits- und Familienleben, stimmen. In Zweifelsfällen muss man sich genauer mit dem Anwärter auseinander setzen, was natürlich länger dauert. Glauben Sie, dass das Zeugnis dazu beitragen wird, Attentate wie das in Erfurt zu vermeiden? Richter: Ich glaube nicht. Der Erfurter Schüler war ein Einzelgänger mit großen sozialen Problemen. Vor solchen Tätern kann man sich - ähnlich wie vor Selbstmordattentaten - kaum schützen. Trotzdem ist es richtig, dass genauer hingeschaut wird, wer eine Waffe in die Hand bekommt. Wichtig, um Amokläufe zu vermeiden ist, dass die Gesellschaft dafür sensibilisiert wird, zu was Menschen, die schlimmste Erfahrungen machen, im Einzelfall fähig sind. * Die Fragen stellte unser Redaktionsmitglied Christiane Wolff.