Sie schwärmen einfach füreinander

WITTLICH. "Alle Vöglein sind schon da" ist ein Volkslied-Standard. Doch selbst Amsel, Drossel – oder Rabenvogel: Dem Federvieh wird in Zeiten der Vogelgrippe generell mit Misstrauen begegnet. So fragte denn auch ein TV-Leser nach, ob er sich wegen abendlicher Schwärme über Wittlich sorgen müsse.

"Der Himmel war schwarz. Sie flogen im Sturzflug über die Dächer. Ich schätze, es sind weit über 500 Stück", sagt ein Bewohner der Wittlicher Händelstraße. Kurz vor 18 Uhr hat sich über seinem Kopf ein großer Vogelschwarm zusammengefunden. "Das ist doch ein Phänomen, zumal alle von Vogelgrippe reden. Die sammeln sich in der Luft und auf den Flachdächern. Es ist fast wie bei Hitchcock", sagt der Mann. Er ist nicht der einzige, der verunsichert ist, ob salopp gesagt, wirklich alles Gute von oben kommt. Auch angesichts einzelner toter Tiere, wie Anfang der Woche bei einer überfahrenen Taube auf dem Wittlicher Marktplatz, kann man beobachten, dass Zweibeiner verunsichert sind. "Die Sorgen der Bürger verstehe ich", sagt denn auch Kreisveterinärin Dr. Ulrike Lenhard. "Aber wir haben hier im Land an Überflugstellen Wildvögel gezielt beprobt, alle waren auf Geflügelpest negativ. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür - auch deutschlandweit -, dass das Virus hier wäre." Die Vogelschwärme kennt sie sozusagen von Haus aus: "Wir haben hier selbst eine Dohlen-Kolonie auf der Kreisverwaltung. Die haben die Angewohnheit, abends gemeinsam zu ihren Schlafplätzen zu fliegen." Martin Becker, Forstwirtschaftsmeister aus Wittlich, der sich mit Ornithologie beschäftigt, bestätigt: "Es ist ganz normal, dass sich abends meist Dohlen und Rabenkrähen zu Schlafplatzgesellschaften zusammen finden." Gemeinsame Nachtruhe besonders im Winter

Er schätzt die Dohlen-Population der Kreisstadt auf 500 bis 700 Stück, ähnlich sei es bei den Rabenkrähen. Die Zahlen seien konstant und es sei bekannt, dass die Tiere gerne im Industriegebiet übernachteten. "Dort gibt es von den Dohlen große Brutpopulationen auf Schornsteinen, aber auch auf Dächern. Die Rabenkrähe findet man etwa in Feldgehölzen oder auf Strommasten", sagt der Forstwirtschaftsmeister. "Besonders im Winter schlafen die gerne zusammen." Seiner Überzeugung nach gehe von ihnen keine Gefahr aus, eher von Menschen, die in ferne Länder reisten. Auch die Angst vor Zugvögeln werde zu heiß gekocht: "Ein Zugvogel braucht für seine Reise wahnsinnig viel Kraft. Krank würde er das gar nicht schaffen. Allerdings gibt es Vögel, die das Virus tragen können, ohne selbst zu erkranken. Die Todesfälle bei Menschen in der Türkei zeigen jedoch, dass man längere Zeit direkt mit kranken Tieren in einem Raum leben muss, um gefährdet zu sein." Der Rückzug der Vögel wird Anfang März erwartet. Potentiell gefährdet sind die Tiere, die über die Ostroute ziehen. Dazu gehört zum Beispiel der Weißstorch. Wer wissen will, mit welchem Rabenvogel er es zu tun hat, findet kurze Beschreibungen der verschiedenen Arten nebst Stimme zum anhören im Internet, zum Beispiel auf www.nabu.de. Für Buchliebhaber empfiehlt der Forstwirtschaftsmeister Literatur beispielsweise aus dem Kosmos-Verlag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort