Spuckst du noch oder drückst du schon?

Nach Schulschluss herrscht am Wittlicher Zentralen Omnibus Bahnhof (Zob) Ausnahmezustand. Hunderte Kinder warten in trister, aber emotional aufgeheizter Atmosphäre auf den Schulbus. Zehn Minuten gilt es für die meisten nur zu überbrücken. Eine Zeit, die nicht mit gesittetem Warten verbracht wird.

 Ein großes Gedrängel herrscht beim Einsteigen in den Bus am Zob. Unkontrolliert versuchen die Schüler so schnell wie möglich einen Sitzplatz zu ergattern. Da hilft oftmals nur das Eingreifen durch den Busfahrer. TV-Foto: Constanze Junk

Ein großes Gedrängel herrscht beim Einsteigen in den Bus am Zob. Unkontrolliert versuchen die Schüler so schnell wie möglich einen Sitzplatz zu ergattern. Da hilft oftmals nur das Eingreifen durch den Busfahrer. TV-Foto: Constanze Junk

Wittlich. Stimmengewirr flirrt in der Luft. Mädchen kreischen, Jungen schreien. Gellend hoch sind die Töne, wie ein Mix aus vielen kleinen Alarmsirenen. Lachen schallt aus der einen, Beschimpfungen tönen aus der anderen Ecke. Inmitten des Johlens, Quäkens und Brüllens vernimmt das Ohr verschiedenartige Musik. Nicht einzuordnen ist. Woher stammt sie? Ein Rätsel. Erst bei genauerem Hinhören merkt man, das Gewirr aus Tönen schallt aus unzähligen Handys. Das Ganze vermischt sich schließlich mit dem Dröhnen der noch wenigen wartenden Schulbusse.

So laut können 20 Minuten sein. Der Wittlicher Zentralen Omnibusbahnhof (Zob) ist mittags eine Krachfabrik. Fünf Minuten nach Schulschluss, um 13:10 Uhr, beginnt auf dem sonst ruhigen Gelände die "Rush-Hour". Was kurz vorher noch wie tot dalag, wird schlagartig zum unruhigen Bienenstock. Von allen Seiten strömen die Jugendlichen auf den Zob - sie wollen nach Hause. Das traurige Resultat: Eine nervtötende Mischung aus Schulschluss, Lärm, Menschenmassen und Zeitdruck, die in puren Stress ausartet.

Eine Meute von etwa Zehn- bis 18-Jährigen tummelt sich auf dem Platz. Turnschuh an Turnschuh, Rucksack an Rucksack warten sie auf dem Zob. Warten heißt hier: umhertänzeln, kreischen, spucken, rennen, pöbeln. Und mitten unter ihnen ein Ordnungsbeamter und ein Polizist mit Walkie-Talkie und sichtbarer Pistole. Abschreckungsmaßnahme? Ja. Wirksam? Fraglich.

Schubsende Jungs, küssende Pärchen



Ein etwa 15-jähriger schnippt betont lässig seine Zigarette zu Boden. Neben ihm schlägt ein anderer Junge seinen Freund mit einer Plastikflasche - beide lachen. Schweift der Blick finden sich weitere typische Szenen: kichernde Mädchen, schubsende Jungs, küssende Pärchen, und dazwischen einsame Gestalten. Sie haben sich ausgeklinkt mitten im Gewusel - in ihre eigene Welt, beschallt durch die Musik eines MP3-Players.

Der Motorenlärm dröhnt über den Platz. Binnen zehn Minuten fahren rund 20 Busse ein. Stoßzeit? Im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum rollt ein Bus heran, drängen sich die Heranwachsenden wie von der Tarantel gestochen an den Rand des jeweiligen Bahnsteigs. Nur sehr langsam kommen die Busse voran. Kein Wunder, denn dort, wo sie eigentlich halten sollten, tummeln sich die Jugendlichen. Mitten auf dem Zob-Platz, ohne Rücksicht auf Verluste, gruppieren sie sich. "Man muss aufpassen, dass man ihnen nicht über die Füße fährt", sagt einer der Busfahrer. Es macht den Anschein, als sei die Gegenwart der notwendigen Fortbewegungsmittel nur geduldet. Mehr nicht. Niemand macht Platz, wenn einer der Busse anfahren will, da hilft auch hupen nichts. Kaum öffnet sich die Bustür geht das Gedränge weiter. Ellenbogen fahren gewaltsam aus, um sich Platz zu schaffen. Mit aller Kraft werden die Sitzplatz-Konkurrenten nach hinten gedrückt, von wo der nächste Ungeduldige jedoch schon am Schieben ist. Der Buseinstieg wird zur Sisyphos-Arbeit. Ohne ein klares Eingreifen durch den Fahrer scheint der Einstieg schier unmöglich.

Schlägereien und Beschimpfungen



Doch nicht alle Jugendlichen stürzen sich am Zob mitten ins Getümmel. Vereinzelt sieht man Grüppchen außerhalb sitzen. Einige stehen am Rand, beobachten die Situation gelangweilt. Auf einer der Bänke sitzt ein junges Mädchen. Allein, desinteressiert. "Ich halte mich nicht gerne hier auf", erzählt die 17-Jährige. Auch aus Angst, angepöbelt zu werden. "Einmal hat mir einer seine weiße Ratte übergeworfen." Die einen beschimpften sich, andere würden "nur" rumgeschubst werden. Schlägereien hat sie auch schon beobachtet. "Aber das ist wohl so, wenn viele Jugendliche zusammenkommen", sagt sie resigniert. "Schade, aber es ist so."

Heute findet um 19 Uhr im Atrium des Cusanus-Gymnasium in Wittlich das TV-Forum zur Situation am "Zob" statt. Wer sich über das Thema informieren will oder mögliche Verbesserungsvorschläge hat, ist eingeladen.

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