Stadt steigt nach 30 Jahren aus

WITTLICH. (sos) Es war nur ein Randthema in der Stadtratssitzung, wurde dadurch aber erst öffentlich: Die CDU hat eine Anfrage gestellt, weil die Stadt die Mitgliedschaft in der deutsch-israelischen Gesellschaft (DIG) gekündigt hat.

"Die CDU-Fraktion beantragt, der Stadtrat solle beschließen, die Kündigung der Mitgliedschaft in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft rückgängig zu machen, so dass die 30-jährige Mitgliedschaft über den 31. Dezember 2004 fortbesteht", so der Fraktionsvorsitzende Theodor Brock in einem Schreiben an Bürgermeister Ralf Bußmer. Im Rat wurde daraufhin darüber informiert, dass der Mitgliedschaft kein Ratsbeschluss zugrunde gelegen habe. Ralf Bußmer meinte dazu. "Wir können die Kündigung nicht zurückziehen, man kann höchstens eine neue Mitgliedschaft beantragen. Das geht ins nächste Gremium rein. Wir werden noch Informationen für Ihre Bewertung zusammen stellen." Die Stadtverwaltung Wittlich informiert auf TV -Nachfrage, der Jahresmitgliedsbeitrag habe im Jahr 2004 550 Euro betragen. Pressesprecher Ulrich Jacoby: "Im Rahmen der Überprüfung von Einsparmöglichkeiten wurden auch alle Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden auf ihre Notwendigkeit hin hinterfragt. Vor dem Hintergrund der Förderung des Emil-Frank-Institutes durch die Stiftung Stadt Wittlich wurde eine Mitgliedschaft in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nicht weiter für erforderlich gehalten. Der Zentralausschuss ist der zuständige Ausschuss. Da ein Antrag auf Beratung in der Stadtratssitzung vorliegt, wird sich der Stadtrat am 14. Dezember abschließend mit dem Thema beschäftigen."Wittlich ist sich der Verpflichtung bewusst

Professor Reinhold Bohlen, Leiter des Emil-Frank-Instituts, sagt dazu auf TV -Nachfrage: "Die Stadt Wittlich weiß sich ihren ehemaligen jüdischen Bürgern - gerade angesichts des ihnen geschehenen Unrechts - bis heute verbunden. Viele von ihnen, auch deren Nachkommen, leben in Israel. Aus ihrer Vergangenheit heraus ist sich die Stadt ihrer besonderen Verpflichtung bewusst. Die Mitgliedschaft in der DIG war Ausdruck dieses Engagements, das vor drei Jahrzehnten einsetzte und seither viel Anerkennung gefunden hat." Auf die Frage, welches Signal möglicherweise von der Kündigung ausgehen könne, erklärt Reinhold Bohlen: "Das Signal, das die Kündigung der Mitgliedschaft in der DIG setzt, ist der Hinweis auf die krasse Geldnot unserer Kommunen, denen der Gesetzgeber gerne zwar kostenintensive Aufgaben überträgt, doch keine ausreichende Finanzierung sichert." Bohlen bedauert, dass deshalb der Rotstift bei den freiwilligen Ausgaben angesetzt werden muss und sagt weiter: "Welche dieser Ausgaben konkret gestrichen werden, ist letztlich eine politische Entscheidung der Verantwortlichen. Unter diesem Aspekt befürchtet das Emil-Frank-Institut, dass die Kündigung der Mitgliedschaft der Stadt in der DIG in der Öffentlichkeit falsch verstanden werden könnte." Generell betont der Leiter des Emil-Frank-Instituts: "Die Stadt Wittlich hat mit der Renovierung der ehemaligen Synagoge und ihrer Bewahrung als Kultur- und Tagungsstätte ein unübersehbares Zeichen gesetzt. Sie hat sich, angestoßen durch den Arbeitskreis Jüdische Gemeinde Wittlich, vorbildlich engagiert beim Knüpfen und Vertiefen der Kontakte zu den ehemaligen Wittlicher Bürgern jüdischen Glaubens. Die finanzielle Förderung durch die Stiftung Stadt Wittlich hat die Gründung des Emil-Frank-Instituts im Jahre 1997 ermöglicht, eine Einrichtung, die der Stadt in Sachen Gedenk- und Versöhnungsarbeit international eine hohe Reputation eingebracht hat. Das Emil-Frank-Institut hofft, dass die Kündigung der Mitgliedschaft der Stadt Wittlich in der DIG nicht ein erstes Anzeichen für die Abkehr von der bisherigen Politik darstellt. Denn das wäre fatal!"

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