Stoff für einen Roman

WITTLICH/TRIER. Psychiatrie statt Gefängnis: Das Trierer Landgericht hat einen 67-jährigen Mann aus Wittlich in einer psychiatrische Klinik "eingewiesen". Und: Er darf seine Ex-Ehefrau nie wieder sehen. Der Mann hatte versucht, die 44-Jährige zu erstechen.

Für Dieter W. mag es die schlimmste Strafe überhaupt sein: Ausgerechnet die Frau, die er seit mehr als zwei Jahrzehnten abgöttisch liebt, so sehr, dass die Beziehung letztlich sogar beinahe in einem Blutbad endete, wird er vermutlich nie wieder sehen dürfen. Diese Auflage machte dem 67-Jährigen am Dienstag das Trierer Landgericht. Zudem ordnete Richterin Irmtrud Finkelgruen die Unterbringung des Rentners in einer psychiatrischen Klinik an - "zur Bewährung", wie Finkelgruen einschränkte. Dieter W. hätte im Juni vergangenen Jahres um ein Haar seine damals bereits getrennt von ihm lebende Ehefrau umgebracht ( TV vom 5. September). Vermutlich nur, weil die jüngste Tochter dazwischen ging, ließ der Mann von seinem Vorhaben ab. Er kam daraufhin erst ins Untersuchungsgefängnis, wenig später - nach einem missglückten Selbstmordversuch in Freiheit - in die geschlossene Psychiatrie Nettegut. Wie die Untersuchungen des Gutachters ergaben, leidet Dieter W. seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren unter einer unumkehrbaren Hirnschädigung. Sie führte letztlich dazu, dass der vormals ruhige und eher in sich gekehrte Mann immer leichter aus der Haut fuhr und sich immer weniger unter Kontrolle hatte. In der Ehe kriselte es nach dem Schlaganfall von Tag zu Tag mehr, bis Dieters 23 Jahre jüngere Ehefrau schließlich auszog. Der wahrscheinlich größte Fehler: Regelmäßig besuchte sie ihren Mann weiter, regelmäßig schlief sie mit ihm. Der 67-Jährige gab so die Hoffnung nie auf, "meine Traumfrau", wie er sie heute noch nennt, zurückgewinnen zu können. Vergeblich. Weil alles Bitten und Betteln nichts half, griff er bei einem dieser Treffen schließlich zum Messer. "Eine tragische Geschichte" mit einer "tragischen Gestalt Dieter W.", kommentierte Staatsanwalt Thomas Albrecht in seinem Plädoyer die ungewöhnliche Beziehung, die reichlich "Stoff für einen Roman" biete. Unter Berufung auf das psychiatrische Gutachten hielt Albrecht den 67-Jährigen für schuldunfähig - eine Auffassung, der sich am Dienstag auch das Landgericht anschloss. Laut Richterin Irmtrud Finkelgruen leidet Dieter W. unter einer krankhaften seelischen Störung, die therapiert werden müsse. Sollte er trotz Verbots Kontakt zu seiner Ex-Ehefrau aufnehmen, wird Dieter W. wohl die letzten Jahre seines Lebens in einer geschlossenen Anstalt verbringen müssen.

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