Top-Lagen leiden unter der Hitze

BERNKASTEL-KUES. Die Folgen des Klimawandels wirken sich auch auf den Weinbau aus. Seit Ende der 80er-Jahre sind überdurchschnittlich viele qualitativ sehr gute Jahrgänge gewachsen. Aber auch die Charakteristik der Moselweine verändert sich. Höhere Alkoholgehalte bei niedrigeren Säurewerten wirken sich auf das Geschmacksbild aus. Die Winzer müssen sich umstellen, wollen sie weiterhin "typische" Moselweine erzeugen.

Von 1988 bis 2006 sind an der Mosel die Mostgewichte der Trauben im Durchschnitt um 24 Prozent gestiegen, die Säurewert hingegen um 66 Prozent gesunken. Diese Statistik sagt sehr viel aus über die rasante Veränderung im Weinanbau in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Rudolf Fox von der Weinbaulehranstalt Weinsberg (Württemberg), der am Dienstagmittag vor über 400 Besuchern beim Mosel-Weinbautag in Bernkastel-Kues über den Klimawandel und dessen Folgen auf die Charakteristik der Moselweine referierte, sieht in dieser auf den ersten Blick positiven Entwicklung auch Risiken. Fox: "Der Standortvorteil Frucht, Eleganz und Aromenvielfalt der deutschen Weißweine ist in Gefahr." Noch steht die Mosel für prickelnde, frische, aromatische und anregende Rieslinge, für leichte, aber nicht "dünne" Weine. Damit dies so bleibt, empfiehlt Fox den Winzern eine Reihe weinbaulicher Maßnahmen. So sollte die Bodenpflege vor allem unter dem Aspekt der Wasserschonung ausgerichtet sein. Humuszufuhr und Bodenabdeckung sind unter anderem Möglichkeiten. In guten Lagen sollten die Biegedrähte höher gebunden und die Reben länger angeschnitten werden. Überhaupt könnten die Top-Lagen die "Verlierer" der Klimaerwärmung sein - dann nämlich, wenn die Reben unter Trockenstress leiden und in der Folge schnell alternde, extrakt- und säurearme Weine hervorbringen. Die Tröpfchenbewässerung in diesen Steillagen hält Fox nur dann für sinnvoll, "wenn alles andere nichts mehr nützt". Ferner rät der Weinbauexperte: "Die Produktionstechnik muss vor allem auf den Erhalt der Säure und der typischen Aromatik ausgerichtet sein." Während in früheren Jahren das Mostgewicht das Maß aller Dinge für die Qualitätsbewertung war, müsse man heute vor allem Kenntnis über die "physiologische Reife" der Trauben haben. Die "physiologische Reife" sei dann gegeben, wenn alle wertgebenden Inhaltsstoffe in der Traube in maximaler Konzentration vorhanden seien. Diese könne je nach Jahrgang beim Riesling zwischen 75 und 80 Grad Oechsle oder aber auch zwischen 90 und 95 Grad liegen. Eine große Rolle komme daher dem optimalen Lesezeitpunkt zu. Trauben, die "physiologisch reif" sind, erkenne man unter anderem an der dünnen Beerenhaut und an den bräunlichen, harten Kernen. Alle Inhaltsstoffe, Frucht, Süße und Säure müssten harmonisch zueinander passen.

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